Gary Smulyan – Ralph Moore Quintet | 21.09.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Was haben Woody Her-man, Dizzy Gillespie, Stan Getz, Chick Corea, Ray Charles, B.B. King und Diana Ross gemeinsam? Immer wenn sie einen Baritonsaxofonisten benötigten, holten sie sich den besten. Und das ist Gary Smulyan, was ihm die führende Fachpublikation „Down Beat“ seit Jahren regelmäßig bestätigt.

Nun ist das Saxofon ja das Instrument des Jahres 2019, aber an den Tieftöner der Instrumentenfamilie, das Baritonsaxofon nämlich, denkt man dabei eher selten. Und wenn, dann hat man unwillkürlich erst einmal den Klang einer Schiffssirene im Kopf und assoziiert damit etwas Schwerfälliges, Behäbiges. Wer dies tut, kennt Gary Smulyan nicht. Dessen Nebelhorn tänzelt leichtfüßig, schlägt Purzelbäume, dreht Pirouetten. Ganz klar, mit ihm steht ein echter Virtuose auf der Bühne des Neuburger Birdland Jazzclubs, einer, der zwar ein sogar im Jazz relativ selten anzutreffendes Instrument spielt, dies aber in einer Art, dass ihm am Ende des Konzerts tosender Applaus entgegenschlägt.

Die Band des Mannes aus New York ist handverlesen und schlichtweg exzellent. Der österreichische Schlagzeuger Bernd Reiter, Bassist Stephan Kurmann aus Basel, Pianist Olivier Hutman aus Paris und dazu Ralph Moore aus London am Tenorsaxofon – das ist eine illustre Mannschaft, die das Publikum an diesem Abend regelrecht schwindelig spielt. Das Repertoire stammt zum Großteil aus der gerade eben veröffentlichten CD „Bird’s Eye Encounter“ und ist eine zweistündige Abfolge von musikalischen Leckerbissen und Höhepunkten. Die Band spielt hinreißende Balladen, etwa das dem zwei Tage vor dem Konzert verstorbenen Pianisten Harold Mabern, der auch diverse Male im Birdland zu hören war, gewidmete Stück „Don’t Follow The Crowd“, die wahren Hämmer aber sind Thad Jones‘ „Elusive“ kurz vor und Tommy Flanagan’s „Verdani“ gleich nach der Pause. Selten sah und hörte man eine Band in derart wahnwitzigem Tempo durch eine, besser gesagt, durch zwei Komposition heizen. Das hat gar nichts mit Geschwindigkeitsfetischismus zu tun, sondern ist in diesem Fall einfach der Ausdruck purer Lust, von Spielfreude und Leidenschaft. Vor allem Reiter und Smulyan kann man die Anstrengung am Gesichtsausdruck ablesen, das entspannte Grinsen nach vollbrachter Großtat aber könnte heißen: Wir haben’s gewagt und wir haben‘s geschafft!

Es gibt Konzerte, die gehen an die Substanz. Bei den Musikern, aber auch beim Publikum. Manchmal ist eine Steigerung schier nicht vorstellbar. Deshalb ist ein vergleichsweise ruhiger Blues in der Zugabe als Schlussakkord auch genau der richtige Abschiedsgruß, bevor sich alle, komplett bedient aber glücklich, auf den Heimweg machen. Was für ein tolles Konzert!