Charly Antolini Groovin‘ Hard Jazzquintet | 20.09.2019

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Wer schon mit Benny Goodman oder Art Farmer gespielt hat, der kann eigentlich kein „musikalischer Jungspund“ mehr sein, wie es etwas kokettierend im Programmheft des Birdland Jazz Club heißt. Eher schon könnte man Charly Antolini, den legendären Schweizer Schlagzeuger, als alten Knaben bezeichnen. Wenn es nur nach der Zahl von Jahren geht, die der massige, quicklebendige Mann inzwischen auf dem Buckel hat.

82 ist Antolini, und er ist der schlagender Beweis dafür, was weit jenseits des gesetzlichen Renteneintrittsalters jung und frisch halten kann: Musik, die mit Leidenschaft und dem richtigen Feeling praktiziert wird. Und mit einem Können, der aus dem Fundus von mehr als sechs Jahrzehnten Jazzer-Leben fast unendlich schöpfen kann. Aber nicht nur aus diesem Fundus, sondern vor allem aus der Bereitschaft, sich gelegentlich wieder neu zu erfinden – diesmal mit einer erst vor kurzen Zeit neu zusammengestellten Quintett-Formation. Der Name ist Programm: Charly Antonini Groovin‘ Hard Jazzquintet.

Antolini selbst ist der spiritus rector im Team, er gibt den Drive vor und verausgabt sich im Bildland-Keller voll, alle paar Minuten wischt er sich den Schweiß mit einem größeren Handtuch ab. Und wirkt dabei vitaler als mancher wirkliche Jungspund, der sich im Fitness-Studio quält und dabei gelegentlich mit dem Designer-Schweißtuch hantiert. Antolini inspiriert seine Band – und wird von den anderen inspiriert, die Groove und Swing absolut draufhaben. Von Angela Avestisjan (Trompete) und Florian Riedl (Saxofon), die ihre Instrumente mit einer unglaublich leichten Virtuosität beherrschen und immer wieder Unisono-Kunststücken hinlegen, die einen vom Sitz reißen. Vom feinfühligen Bassisten Rocky Knauer und vom bestens disponierten Pianisten Sam Hylton.

Der Begriff „Hard“ ist nicht zufällig gewählt: Wenn die fünf richtig in Fahrt kommen, erfüllt ein klarer, scharf konturierter Sound den Jazzkeller, der das Publikum packt. Das ist, wenn man so will, das Ergebnis harter, höchst konzentrierter Arbeit, aber es kommt eben nicht mit Härte daher, sondern mit einem unzweifelhaften Selbstbewusstsein – überzeugend bei den rockigen Stücken ebenso wie in den fein ausgekosteten, lyrischen Songs.

Zum Beispiel in „Did you call her today?“, das einen melancholischen Unterton hat, einen Hauch von Vergeblichkeit und mit musikalischem Tiefgang von den Irrungen und Wirrungen (un)erfüllter Sehnsucht erzählt. Oder in der zauberhaften Nummer „I fall in love too easy“, einem raffinierten Trio-Feature aus Piano, Bass und Schlagzeug. Oder auch im Trompeten-Feature „Close your eyes“. Ein Genuss, wie die in Sibirien aufgewachsene und seit ein paar Jahren in Deutschland lebende Jazz-Trompeterin Angela Avestisjan alle Klangfarben ausschöpft, die dieses Instrument im Idealfall zu bieten hat. Weicher, warmer Grundton, kurze Aufschwünge in den expressiven Ausbruch, und vieles dazwischen. Mit Solo-Glanzlichtern beim Bass und am Piano, und natürlich am Schlagzeug, an dem Antolini einen Kosmos vom leisen Rauschen bis zum grandiosen Trommelwirbel entfaltet.

Das ist große Unterhaltung. In Programmheften wird ja derlei immer mal wieder angekündigt, aber dann doch nicht recht eingelöst. Vom Antolini-Quintett wird dieser Anspruch absolut erfüllt. Man sieht nicht so oft, dass bei einem Jazz-Konzert einige Zuhörer nach jedem Stück aufspringen und ihre Stars regelrecht feiern. An diesem Abend hat dies seine Berechtigung.