Die jazzlose Zeit hat ein Ende. Nun hat auch im Birdland in Neuburg die Konzertsaison 2019/20 begonnen. Und zwar mit einem Paukenschlag im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich mit der Schlagzeuglegende Charly Antolini, der mit seinen mittlerweile 82 Jahren immer noch Trommeln und Becken attackiert, dass es eine wahre Freude ist.
Antolini, dessen Stilistik sich auf Louie Bellson, den Drummer der Bands von Benny Goodman, Tommy Dorsey, Harry James und Duke Ellington beruft, kann kraftvoll zupacken, aber auch ganz subtil zu Werke gehen. Ganz gleich allerdings, was das jeweilige Stück gerade verlangt, sind zwei Komponenten für ihn unverzichtbar. „Meine Musik muss swingen und grooven“, sagt er, und fürwahr, das tut sie, und zwar höllisch gut. Seine blendende Technik erlaubt es ihm, auch in reifem Alter noch halsbrecherische rhythmische Figuren aus dem Handgelenk zu zaubern, wodurch das das Publikum logischerweise schwer beeindruckt ist.
Jazz halte jung, heißt es. Für Antolini gilt das auf jeden Fall. Damit das auch so bleibt, hat er sich neben seinem alten Weggefährten Rocky Knauer am Kontrabass in seine aktuelle Band, die sich nicht umsonst „Groovin‘ Hard Jazzquintett“ nennt, drei junge Musiker geholt. Den feinfühligen Pianisten Sam Hylton, den extrovertierten Florian Riedl am Alt- und am Tenorsaxofon und die überragende Angela Avetisyan an der Trompete, die durch ihr feuriges Spiel und ihre Begeisterung für diese Art von Musik sogar ihren Chef mitreißt.
Im Grunde ist das Repertoire der Band gar nicht so überaus besonders. Thad Jones‘ „Groove Merchant“ und Nat Adderley’s „Work Song“ sind zu hören und Ray Brown’s „Gravy Waltz“, dann wieder bedient Antolini sich bei Erroll Garner, Henri Mancini und Ben Webster. Aber eigentlich ist es fast egal, was er spielt. Durch seinen unschlagbaren Witz als Geschichtenerzähler, als Instrumentalist und nicht zuletzt auch als Bandleader liegt ihm das Publikum bereits nach der ersten Nummer an zu Füßen. Antolini spielt mit seiner Band nicht nur auf enorm hohem Level, was immer wieder ganz zurecht zu Applaus auf offener Szene führt, sondern weiß auch, wie man die Art von Mainstream, die er mehr liebt als all die anderen Spielformen des Jazz, verkaufen muss. Nicht nur in rhythmischer Hinsicht ist er der leistungsstarke Motor, der unermüdliche Impulsgeber dieser Band, sondern auch im Umgang mit dem Publikum.
Und dann wieder verordnet er sich und seiner Band Momente der Zurückhaltung, der Intimität, wie etwa bei „Close Your Eyes“, dem Klassiker von 1931. Wenn man der mit Titel angesprochenen Aufforderung Folge leistet, dann könnte es sogar sein, dass man neben dem extrovertierten auch noch dem anderen Charly Antolini begegnet, dem einfühlsamen, dem empfindsamen, dem zärtlichen. Auch diese Momente möchte man keinesfalls missen.