Full Moon Trio | 13.11.2004

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Vollmond, das sind die Nächte der Schwärmer, der Träume und Schäume, des sachten Lichts und der weichen Schatten, wie sie dereinst Clemens Brentano, E.T.A. Hoffmann oder Novalis besungen haben. Nicht von ungefähr nennen Walter Lang, Stephan Holstein und Wolfgang Lackerschmid ihr Trio nach dem Vollmond, gleicht doch der Sound von Piano, (Bass-)Klarinette bzw. Altsaxophon und Vibraphon je länger je mehr den milden Spektralfarben des Mondlichts in einer Nacht des Elfentanzes. Der hauchzart temperamentvolle Schimmer solchen Lichts erfüllte den Birdland Jazzclub mit sanftem Zauber beim diesjährigen Herbstgig des Full Moon Trio.

Gibt es so etwas wie europäischen Jazz? Wenn ja, dann hier: Paul Desmonds „Take Ten“ kommt zum kreativen Austausch mit Lackerschmids „Four Notes“, Johann Sebastian Bachs 5. Brandenburgisches Konzert wird Brubeck-like zu swingendem „Neubrandenburg“. Da schließt sich der Kreis der Inspiration zwischen der Alten und der Neuen Welt. Musikalisch steht der Abend weitgehend im Zeichen von Paul Desmond, jenem 1977 verstorbenen Altsaxophonisten, dem weiland das Dave Brubeck Quartet seine besten Stücke verdankte, darunter das berühmteste „ungerade“ Werk der Jazzgeschichte: „Take Five“. Spätestens bei der zwischen Vorwärtsgang und zartbitterer Melancholie changierenden Interpretation dieses Klassikers zeigt sich, das das Full Moon Trio mit musealer Nostalgie aber auch gar nichts am Hut hat. Kein Staub im Mantel der Geschichte, sondern höchst lebendige, sensible und frische Inspiration für Mondsüchtige und solche, die es unweigerlich werden, wenn sie nur lang genug zuhören.

Es dürfte wohl kaum eine Formation geben, die so spinnwebfeine kammermusikalische Gefühlsäußerungen zu spielen versteht wie das Trio aus Lackerschmid, Lang und Holstein. Dabei wirkt nichts sentimental, maniriert oder emotionsüberfrachtet, im Gegenteil: Intelligente Kompositionen, ausgeklügelte Arrangements, hingebungsvolles Zuhören, sehr bewusst aufgebaute Soli, spritzige Exkursionen auf’s freie Feld der Improvisation und sehr profilierte Musikerpersönlichkeiten bestimmen das Geschehen ebenso wie die unnachahmliche Luzidität der Affekte. Vollmond eben: Da ist die Sicht manchmal klarer als im harten Blendfaktor des Tageslichts, gleichzeitig das Herz offen für Eindrücke von bleibender Schönheit. Wenn dann in der „Samba Cantina“ Erinnerungen geweckt werden an verflossene Zeiten, wenn es mit Franz Grothe lässig swingend heißt „In der Nacht ist der Mensch nicht gern allein“, wenn Billie Holidays „Lover Man“ durch den Raum schwebt wie ein Traum vom Glück um Mitternacht, dann hat die Stunde geschlagen für ein Trio, das dem europäischen Jazz in brillanter Weise Gestalt verleiht. Nicht nur bei Vollmond!