Freddie Hubbard & The New Composers Orchestra | 11.04.2002

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

(Audi Forum Ingolstadt)

So etwas könnte auch Kishons Feder entschlüpft sein, eine Art jazzgefärbter Blaumilchkanal. Oder besser: Missing Hub.

Als die Band nach missglückter Verzögerungstaktik gegen viertel Neun aus dem Fahrstuhl steigt und unter Beifall die Bühne im Audi Forum entert, fehlt vom Boss noch jede Spur. Die Jungs beginnen zu spielen, ein Kamerateam des Bayerischen Rundfunks sucht nervös nach dem Grund ihrer Dienstfahrt nach Ingolstadt, leuchtet in die linke Ecke des Museum mobile, dann Richtung Lift und schließlich durch die Glasfenster in die Dunkelheit. Just in dem Augenblick, da Tenorsaxofonist Jimmy Green sein finales Solo beendet, das Ensemble in die Zielgerade von „Blues for Miles“ einbiegt, als dann alles zum Stillstand gekommen ist, da entsteht plötzlich draußen Bewegung.

Freddie Hubbard kommt. Beiger Trenchcoat, breitkrempiger Stetson: so steht er unvermittelt in der Drehtüre, breitet die Arme aus und ruft auf deutsch „Wunderbar“. Der weltbekannte Jazzmusiker schreitet rechts am Auditorium vorbei, lässt Co-Trompeter David Weiss, der sich nach seinem Befinden erkundigen will, links liegen. Als Freddie auf einem Stuhl Platz nimmt, immer noch mit Hut, Mantel und Kamera vor dem Gesicht, ist es mit einem Mal seltsam still im Audi Forum. Das Oktett dort oben ist unsicher, denn dort unten sitzt der Chef. Erst langsam entspannt sich die skurrile Situation, spielt der Rest einfach weiter – ohne Hubbard.

Der kommt erst nach der Pause, wirkt motiviert, bläst fulminante Attacken auf dem Flügelhorn zu „One of a Kind“, schenkt seinen geschundenen Lippen, wegen denen er sieben Jahr pausieren musste, nichts. Doch schon hier fällt auf, dass der 63-Jährige, den viele in den 60er Jahren als einen besten Jazztrompeter aller Zeiten bezeichneten, körperlich nicht auf der Höhe ist. Er brummelt ins Mikro, wirkt fahrig, verreißt manchmal den Ton, vergreift sich in der Phrasierung, verliert hin und wieder den Ansatz. Aber: Hub gibt Stoff. Und das bereits zuvor exorbitante „New Composers Orchestra“, das seinem Namen alle Ehre macht, agiert noch eine Ecke druckvoller, energetischer. Die Energie fließt schiebt sich dick und heiß durchs Museum mobile.

Derweil dirigiert der Meister linkisch und dennoch exakt, steuert den Fluss seiner wirklich großen Kompositionen, die erst in einer solchen Besetzung ihre ganze Strahlkraft entwickeln, aus dem Hintergrund. Hubbards Einsätze reduzieren sich von Titel zu Titel, er lässt lieber die junge Truppe um den übersprudelnden Altsaxofonisten Myron Waldon, den wendigen Posaunisten Steve Davis und den funkelnden Pianisten Xavier Davis durch die farbigen Harmonien von „True Colors“ galoppieren.

Es folgen das dampfende „Red Clay“ und am Schluss sein altes, aber immer noch taufrisches „Caravan“-Arrangment für Art Blakey von 1961. Die Band serviert eine superbe Mischung aus donnerndem Groove und filigraner Satzarbeit, doch die Hauptperson des Abends wirkt müde, kraftlos.

Keine Zugabe, freundlicher Beifall, unangenehm berührte Gesichter bei den Fans, die ihre alten Langspielplatten zum Signieren mitgebracht haben. Freddie Hubbard will im nächsten Jahr wiederkommen. Eine zweite Chance hat jeder verdient.