Thelonious Monk und Charles Mingus, zwei der wichtigsten Figuren des gesamten Jazz, zwei Künstler, von denen, auch wenn sie bereits vor Jahren die irdische Bühne verlassen haben, jeder Musiker der nachfolgenden Generation beeinflusst ist, feiern in diesem Jahr runde Geburtstage. Monk den 100, Mingus den 95. Da trifft es sich gut, dass der Gitarrist Freddie Bryant aus New York und sein Quartett mit einem speziell mit Kompositionen der beiden Jubilare bestückten Programm unterwegs ist. Noch besser trifft es sich, dass er an damit an diesem Abend in den Birdland-Jazzclub nach Neuburg kommt.
Wer Bryant vorab nicht kannte, dem wird spätestens ab seinem Solo in Mingus‘ „Good Bye Pork Pie Hat“ Mitte des erstens Sets gar nichts anderes übrig bleiben als festzustellen, dass dieser Gitarrist schlichtweg brillant ist. Auf welch atemberaubende Weise er sich auf der Basis dieses Klassikers entfaltet, Mingus‘ harmonische Vorgabe als Sprungbrett für seine eigene großartige Version nutzt, ist absolut beeindruckend. Im Anschluss daran kommen noch etliche solcher Highlights, die Atmosphäre bei „Think Of One“, das schier abzuheben scheint, die reizvolle Metrik und der Witz bei Monk’s „Ugly Beauty“, die pure Lebensfreude bei „Jelly Roll“ und das sich wie eine Wendeltreppe emporwindende Thema bei Bryant‘s Eigenkomposition „Ning-A-MaRhyth“, einem Stück, das genau so verrückt-verspielt angelegt ist wie der Titel dies suggeriert. Und ganz am Ende – nach etlichen halsbrecherischen Passagen und einigen wunderschönen Balladen – steht als Mutter aller Dinge ein Slow Blues, der einem ans Herz greift.
Diese tiefe Verbeugung vor Monk und Mingus funktioniert deshalb so gut, weil die Musiker in Bryant’s Band nicht nur ihren Chef begleiten und unterstützen, sondern jeder für sich dem Konzert auch seinen eigenen Stempel aufdrückt. Klemens Marktl am Schlagzeug und Joris Teepe am Kontrabass geben nicht nur eine äußerst bewegliche Backline ab, sondern verblüffen das Publikum mehr als einmal mit unerwarteten Einfällen. Und die Soli des Tenorsaxofonisten Wayne Escoffery schließlich sind wie akustische Statuen, festgemauert und unumstößlich, auch wenn sie noch so rasant sind. An dem, was er spielt, ist nicht zu rütteln.
Monk und Mingus hätten sicherlich ihre Freude gehabt, wären sie Ohrenzeugen dieses posthumen Geburtstagsgeschenks des Freddie Bryan Quartets geworden. Nicht nur angesichts der Tatsache, dass viele ihrer Kompositionen mittlerweile zu den Meilensteinen des Jazz zählen, sondern auch und gerade, weil ihre Nachfahren nicht müde werden, für sich selbst Spannendes und Eigenständiges aus diesen Vorgaben zu entwickeln. Nur kein Stillstand! – Monk und Mingus haben schließlich genau das vorgelebt.