Franz Weyerer Quintet | 03.10.1997

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

In seinem rastlosen Bemühen um die Anerkennung der heimischen Jazzszene greift „Birdland“-Impresario Manfred Rehm neuerdings zu einer ungewöhnlichen Methode: er provoziert. Das aktuelle Programm bietet unter anderem beim Gastspiel des Trompeters Franz Weyerer folgenden Satz: „Wieder einmal steht ein Quintett aus München auf der Bühne des Neuburger Jazzclubs, und wieder einmal tritt für die Veranstalter die bange Frage auf: ´Wieviele Zuschauer werden diesmal kommen?`“

Die Kapelle rekrutiere sich samt und sonders aus Musikern der bayerischen Spitzenklasse, „ist aber keine amerikanische Starband.“ Womit Rehm das zeitgemäße Dilemma von „Jazz made in Germany“ treffend skizziert. Wie in der Werbung gilt mittlerweile nämlich auch im angeblich über jedwede Verlockung dieser Art erhabenen Genre Jazz die Verpackung mehr als der Inhalt. Angelsächsisch klingende Interpreten besitzen vor dem ersten Ton grundsätzlich ein größeres Gewicht, als jeder ebenbürtige Kollege aus deutschen Landen, was sich bei einem Konzert der Weyerers, Herrlichs oder Martlreiters regelmäßig in gar armseligen Besucherzahlen widerspiegelt.

Das Neuburger „Birdland“ engagiert sie trotzdem. Schließlich gehört es zur kulturpolitischen Aufgabe eines Clubs mit solch beachtlichem internationalen Renommee, auch vor der eigenen Haustüre dafür Sorge zu tragen, daß die Dinge nicht in Unordnung geraten. Im Falle von Franz Weyerer fruchtete obendrein sogar Rehms dezenter Versuch, die mechanisierte Lethargie der Fans in Neugierde umzuwandeln. Siehe da: der Hofapothekenkeller präsentierte sich auf einmal erstaunlich gut gefüllt. Ein perfektes Forum also, um sämtliche Vorurteile über deutsche Jazzformationen ein für allemal ad absurdum zu führen.

Die muntere Band nutzte denn auch die Gelegenheit und bot einen rund zweistündigen Set, den man bei geschlossenen Augen problemlos jeder hochkarätigen Combo aus New York zuordnen könnte. Ihre messerscharfen Bläsersätze, ihr kerniger Groove und die schillernden Improvisationen lehnen sich zwar deutlich an die große Hardbop-Tradition eines Art Blakey oder eines Cannonball Adderly an und bieten kaum eine innovative Offenbarung. Aber was kann eigentlich falsch sein an einer Musik, die ins Ohr geht, anregt und dennoch ein gewisses Qualitätslevel nie unterschreitet?

Franz Weyerer bemühte vier der absoluten Topadressen der neuen Münchner Szene, um sein brodelndes Soul-, Funk- und Jazzsüppchen schmackhaft aufzubereiten. Der Tenorsaxophonist Jürgen Seefelder etwa verfügt neben seiner melodischen Phantasie über die gesamte Bandbreite von der Tradition bis zur Moderne, während der Pianist Heinz Frommeyer durch eine ausgereifte Compingtechnik mit arpeggierten Singlenotes und punktierten Akkordstößen („Cedar`s Blues“) überzeugte.

Für die Extraklasse von Thomas Stabenow noch ungebrauchte Bilder zu suchen, hieße einen Kontrabaß nach Harlem zu tragen. Der souverän-wuchtig swingende Stabenow prägte eindeutig den Rhythmus und kaschierte so manche Überdrehtheit des zweifellos talentierten jungen Drummers Guido May, wie in Horace Silvers „The Liberated Brother“.

Der Bandleader höchstselbst rundete den kurzweiligen Abend trefflich ab. Durch seinen flexiblen Trompetenton sowie seine geschwinde Phrasierung scheint eine erfrischend geistreiche Persönlichkeit. Sowohl als Interpret wie auch als Komponist („Catch As Catch Can“, „Por Que“) weiß Franz Weyerer, daß er in der einzigen wirklich lebenden Kunstmusik unseres Jahrhunderts noch einiges bewegen kann. Gerade hier in Deutschland.