Das ist natürlich Pech. Da sind im Rahmen des 10. Birdland Radio Jazz Festivals gerade mal drei der geplanten acht Konzerte vom Bayerischen Rundfunk mitgeschnitten und dann werden coronabedingt sämtliche Spielstätten bis auf weiteres geschlossen. Wie geht man mit so einer Situation um?
Als erstes, als Sofortmaßnahme quasi, sind die beiden Konzerte aufzuzeichnen, die an diesem Wochenende noch erlaubt sind. Das ist zwar vorab nicht geplant, aber man hat zumindest dann schon mal fünf Veranstaltungen sicher im Kasten. Wie gut, dass der Draht zwischen dem Club und dem Sender anscheinend so gut ist, dass spontan ein Ü-Wagen plus Techniker für zwei Abende zur Verfügung stehen. Wie gut auch, dass mit Ferenc Snétberger zum ersten der beiden Wochenend-Konzerte im Birdland ein Gitarrist der europäischen Spitzenklasse angereist ist, einer, der an guten Tagen durchaus in der Lage ist, sein Publikum vermittels sechs Saiten in sphärische Höhen zu entführen.
In dieser Hinsicht wenigstens ist dies ein guter Tag, ja ein ausgezeichneter, denn wie der gebürtige Ungar Elemente des Jazz, der Klassik, des Gypsy Swing und der Musik Lateinamerikas nahtlos und ohne Bruchstellen verbindet zu einem neuen Ganzen, zu einem speziellen Snétberger-Style sozusagen, das ist schon einzigartig. Seine große Leidenschaft ist die Improvisation und alle, die ihm an diesem Abend bei seinem Tun zusehen und zuhören, folgen ihm scheinbar – der Applaus legt dies nahe – ausnahmslos mit schierer Lust auf den Fährten, die er dabei einschlägt, spüren den Spuren nach, die er dabei hinterlässt.
Snétberger genügt ästhetisch höchsten Ansprüchen, ist technisch makellos, sprüht nur so vor Ideen. Er bietet liebliche Harmonien als weiches Bett, in dem man sich wohlig räkeln kann, dann wieder geht er den entgegengesetzten Weg und vertraut auf den Spürsinn seines andächtig lauschenden Publikums. Ein ums andere Mal entführt er das Auditorium unter Verzicht auf jegliche Griffbrett-Artistik auf eine Traumreise, ohne jedoch je die Bodenhaftung zu verlieren.
Sein Spiel ist Augenweide und Ohrenschmaus zugleich, wenn einer sein Instrument vollkommen beherrscht, dann er. Und obwohl er eher ein zurückhaltender Künstler ist, der auf große Gesten verzichtet, hat er dennoch Witz. Beim ursprünglich von John Lewis für das Modern Jazz Quartet geschriebenen „Fontessa“ deutet sich dieser an, bei Johann Sebastian Bachs „Courante“ ist er am deutlichsten zu spüren, wenn Snétberger nach der Vorstellung des Themas mit vollem Risiko und überaus lustvoll anfängt zu improvisieren und schließlich bei „Bourrée“ landet.
Momente wie diese sind in der Tat geradezu dramatisch. Nicht wegen irgendwelcher vordergründigen, halsbrecherischen Kunststücke auf sechs Saiten – mit so etwas hat er’s eh nicht – um so mehr aber wegen der ungeheuren Vielfalt an künstlerischen und kreativen Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen. Und vor allem natürlich wegen dem, was er aus ihnen macht. Ein toller Abend, an dem man kurzfristig sogar den bevorstehenden Kultur-Lockdown verdrängte.