Farao – Dani – Sieverts | 21.10.2005

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Es scheint zu einer Art Modetrend der jungen Wilden zu werden: Wo früher mit Eigenkompositionen Eigenständigkeit und Distanz zur Tradition demonstriert werden sollten, rückt heute wieder der gute alte Jazzstandard in den Vordergrund. Allerdings kein originalgetreu abgekupferter, nein. Verfremdet muss er schon sein, in Tempo, Harmoniereihenfolge oder sogar beim Namen. Das ist dann das eigentlich Neue, das vermeintlich Aufmüpfige, das angeblich Innovative.

Nennen wir es einmal Marketingstrategie: Auf den Wiedererkennungswert setzen, eine Art Hörer-Musiker-Bindung erzeugen und sich dennoch ein wenig vom Rest abheben. Aber das Rezept hat auch Schwächen, wie das Eröffnungskonzert der ambitionierten „Tommy Flanagan-Tribut“-Reihe im Neuburger „Birdland“-Jazzclub mit dem Trio um den Münchner Bassisten/Cellisten Henning Sieverts, dem Drummer Robert Dani aus Vicenza und dem Pianisten Antonio Farao aus Mailand unter Beweis stellte. Weniger wegen Farao. Der 39-Jährige setzt bei seinem mittlerweile dritten Neuburg-Gastspiel fast ausschließlich die Glanzpunkte. Sein Solo auf „It could happen to me“ etwa öffnet sich harmonisch und rhythmisch weit für Einflüsse abseits des Mainstreams, bleibt aber immer traditionell im zeitgemäßen Sinn. Mit atemberaubender Geschwindigkeit und verblüffender Technik generiert Farao Notenkombinationen voller Kraft und Feuer, die für sich stehen und keiner Erklärung bedürfen.

Solche musikalischen Rubine und Smaragde sind eingebettet in ein Konzept, das anfangs frisch wirkt, sich recht kurzweilig anlässt, aber mit zunehmender Dauer des Abends unverkennbare Längen offenbart. Charlie Parkers „Au Privave“ kommt da als Shuffle, Coltranes „Giant Steps“ erhält den Zusatz „Minor“ und klingt auch so, die Edelballade „Body and Soul“ wird zur Uptempo-Nummer mit schepperndem Fast-Reggae-Rhythmus aufgemotzt, und „Come Rain or come Shine“ beginnt wie „Caravan“, was wahrscheinlich wieder an Zappelphilipp Robert Dani liegt, der schlicht zu viel am Drumset macht und darüber seine eigentliche Aufgabe als Timekeeper vernachlässigt. Bei „You don`t know what Love is“ mixt das heterogene Trio die Akkorde und lässt das Tempo diesmal unangetastet.

In diesem von BR-Jazzmoderator Hennig Sieverts kreierten Menü wird schlicht zu viel gerührt. Akustische Nouvelle Cuisine. Bei zuviel Gewürz geht bekanntlich der Eigengeschmack verloren.