Farao – Dani – Sieverts | 21.10.2005

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Phantasie, Beweglichkeit, überlegte Bereitschaft zu Außergewöhnlichem und die Offenheit für pianistisches Neuland: Eigenschaften, die Tommy Flanagan nicht nur im Neuburger Birdland in überreichem Maß unter Beweis stellte. Mit dem Antonio Farao Trio eröffnete der hiesige Jazzclub eine Hommage an den stillen Star, der seit dem 16.11.2001 nicht mehr unter uns weilt.

Das Festival „A Tribute to Tommy Flanagan“, das mit Unterstützung der Bernhard Riepl Stiftung realisiert werden konnte, feiert am vergangenen und am kommenden Wochenende einen Pianisten, der als herausragender Repräsentant einer außergewöhnlich kreativen Generation von Jazzmusikern Zeitgenossen und Nachfahren mit seiner Schaffenskraft beschenkte. Dabei blieb Flanagan, der seit 1945 an hunderten von Aufnahmen beteiligt war, immer ein Mann von bescheidenen und behutsamen menschlichen Umgangsformen, ein warmherziger Künstler mit empfindsamer Musikalität. Dass zur Ehrerbietung eines solchen Menschen nun eine Riege der besten Pianisten Europas zusammenkommt, krönt die Reihe „Art of Piano“ im Birdland Neuburg, deren 20. und 50. Konzert Flanagan bestritt, einmal mehr. Der Erste im Bunde ist also Antonio Farao, der Mailänder mit dem entschiedenen Anschlag, der in funkenstiebender Heftigkeit Charlie Parkers „Au Privave“ in den Keller wirft mit Saft und Kraft und Feuerstein, der auf der anderen Seite ein untrügliches Gespür für gescheite Lösungen verschlungener musikalischer Fäden hat. Nicht nur im grandios solo vorgetragenen „It Could Happen to You“ zeigt Farao einmal mehr, warum ihm der Ruf als Europas Antwort auf Brad Mehldau vorauseilt; allerdings ist er konsequenter als der Amerikaner, dessen pianistische Verspieltheit zuweilen der Gefahr der l’art art pour l’art erliegt. Farao spielt in dichter Klangsprache, deutet Ideen an, formuliert sie aus, spielt mit ihnen, erliegt dabei nie der Versuchung des einen Schlenkers, der zu viel wäre.
Initiiert hat das Trio der Münchener Henning Sieverts, nicht allein ein versierter Bassist und klassisch ausgebildeter Cellospieler, sondern auch ein Arrangeur und Komponist von origineller Ideenfülle. Wann hat man wohl Parkers Bebop-Renner „Blues for Alice“ je als verträumt durch die Nacht schlendernde Ballade gehört? Dritter im Bunde ist Roberto Dani, ein schlagwerkender Klangfreak, der aus minimiertem Set mit sublimer Finesse ein Maximum an Sounds hervorzaubert. Das Sieverts-Orginal „Le chien du tambour“ eröffnet er mit einem melodiebetont zirkulierenden Solo, bevor Sieverts das Cello tanzen lässt, Farao den Bösendorfer in traumwandelnde Klangkaskaden hüllt. Ein feines Lächeln von Tommy Flanagans Wolke dürfte den Dreien gewiss sein.