European Jazz Quintet | 03.10.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Zwei Bläser auf dem Hochseil des Hardbop, energetische Blitze und atemberaubende Sololäufe aus den Schalltrichtern zweier Tenorhörner, dazu eine rhythm-section mit kochendem Groove: So hatte es sein sollen beim Tribute to John Coltrane im Birdland Jazzclub, und so wurde es dann auch – allerdings erst im zweiten Set.

Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt – in diesem Falle die Geduld des Zuhörers. Was sich im ersten Set recht müde anließ, eher nach einem lauwarm angerührten „Wir haben ein Konzept“-Rezept einer Combo aus der zweiten Reihe klang, entwickelte sich nach der Pause zu einer absolut lebendigen Darbietung, die ganz ohne verkopfte Anstrengungen den eigenen Weg fand aus dem Schatten des Übervaters.

An letzterem hatte sich das European Jazz Quintet mit Alan Skidmore und Gerd Dudek an den Saxophonen, Rob van den Broeck am Piano, Ali Haurand am Bass und Christoph Hillmann am Schlagzeug zunächst ordentlich verhoben, wollte wohl auch zu viel. Zu nah klingen noch die Originalaufnahmen Coltranes in den Ohren, zu präsent ist der 1967 Verstorbene in seiner Allgegenwart als großer Suchender von Freiheit und Spiritualität, zu wenig widmen sich die Fünf auf der Bühne des Birdland dem Spätwerk dieses Meisters aller Klassen. Solchem Vorbild kann sich nur nähern, wer sich von ihm entfernt. Mit einem außerjazzigen Vergleich gesagt: Wenn Joe Cocker „With A Little Help From My Friends“ nur nachgenuschelt hätte, wäre seine Version nie zum Nonplusultra des Beatles-Songs geworden. Zurück ins Birdland und zum ersten Lichtblick: Alan Skidmore intoniert mit Frank Loessers „Say It“ eine der Lieblingsballaden Coltranes, gibt ihr Raum zum Atmen und nutzt das Sprungbrett des Standards zu eigenständiger Durchbildung von Melodie und Sound. Überhaupt ist Skidmore gemeinsam mit dem hervorragend disponierten Drummer Christoph Hillmann die tragende Kraft des Abends. Mit Biss und Druck und langem Atem entwickelt er in „Impressions“ wie in „Horizontal Rain“ flüssig-schlüssige Powersoli, die so manchen jungen Skalenreiter aufhorchen lassen sollten. Und plötzlich ist dann doch jene unmittelbare musikalische Kraft und Intensität zu spüren, die in den späten 50ern und frühen 60ern auch nach Deutschland herüber strahlte, die damaligen Youngster zu Anhängern eines immer freieren Spiels werden ließ. Einer, der sich damals anstecken ließ, ist der heute 65jährige Gerd Dudek, der sich seinerseits im zweiten Set zunehmend frei schwimmt, mehr und mehr der eigenen kreativen Kraft Vertrauen schenkt. Und so kommt dann doch noch ein Feuer in die Bude, das nicht zuletzt mit der knackigen Zugabe „Mr P.C.“ den Geduldigen belohnt.