European Jazz Ensemble | 23.03.2006

Donaukurier | Lorenz Erl
 

(Audi Forum Ingolstadt)

Das eigenständige Europa funktioniert, harmoniert, regt an,  – zumindest in der Welt des Jazz.

30 Jahre lang bastelt das European Jazz Ensemble nun an einer Entwicklung der improvisierten Musik in der „alten Welt“, die sich irgendwie abhebt von den Wurzeln, von der Quelle des Swing, von New Orleans und New York. Das Ergebnis überzeugt längst und straft gleichzeitig alle ab, die den Jazzern aus den so genannten Entwicklungsländern kein Loslösen von der amerikanischen Nabelschnur zubilligen wollten. Die 14 Musiker des imposanten Klangkörpers heben sich bei ihrem Jubiläumskonzert im Ingolstädter Audiforum unter der Leitung von Ali Haurand und Gerd Dudek wohltuend ab von ihren großen Vorlagen.

Im Museum Mobile schaffen sie ein farbiges Kaleidoskop mit allem, was Europa an Individualität, Facettenreichtum, nationaler Identität und persönlicher Kreativität hervorgebracht hat. Nahezu drei Stunden lang malen die zumeist herausragend guten Musiker ihr Klangbild in den Raum, dürfen als Solisten glänzen oder sich präzise in den verschachtelten Big Band-Sound einbinden lassen. „Es ist fast eine Rentnerband,“ stellt der fernseherfahrende Bassist Ali Haurand als Moderator nicht zu Unrecht fest, obwohl vier Generationen am Sound mitarbeiten. Die Erfahrung der Jahre partizipiert dabei von der Dynamik der Jugend ebenso, wie sich die Eigenheiten der Nationen ergänzen.

Pino Minafra steuert mit seiner Trompete die italienische Leichtigkeit bei, der zweite Bassist Sebastian Boisseau bringt Pariser Flair in die Arrangements, Jiri Stevin aus Tschechien zaubert verschmitzte – unglaublich filigrane Flötentöne aus seinen Instrumenten und für die deutsche Präzision der Arrangements stehen Gerd Dudek mit dem Saxofon und Trompeter Matthias Schriefel. Posaunist Conny Bauer und der unglaublich ausdrucksstarke Pianist Joachim Kühn haben sich ihre Welt des Jazz noch in der Ex-DDR erobert. Immer wieder wechselt Kühn den Platz am Klavier mit dem einfühlsamen Rob van der Broek, dirigiert die nur auf den ersten Eindruck heterogene Combo. Broeks Landsmann Erik Vloeimans (Trompete) steuert derweil mit butterweichen Glissandi die holländische Gelassenheit bei.

Kein europäisches Zusammenwirken ohne die Briten – Schlagzeuger Tony Levin sowie die Tenorsaxophonisten Stan Sulzman und Alan Skidmore blasen den frischen Wind der Insel zwischen die Stuhlreihen inmitten der historischen Automobile. Das Publikum ist hin und her gerissen im Spannungsfeld zwischen alter und neuer Musik mit Adaptionen von Beethoven bis Heavy Metal, von messerscharf vertonter bis freizügig improvisierter Musik. Der alte Haudegen Haurand mosert in seiner weitläufigen, langatmigen Vorstellungsrunde trotz eines phantastischen Publikums dennoch über seinen gefühlten Stellenwert des Jazz.  „Musik in einer kulturlos werdenden Welt zu spielen ist sehr schwierig.“ Da sollte er selbst gegensteuern, mal ein paar Worte weniger machen, sich schweigend an seinen Bass setzen und zusammen mit dieser grandiosen EU des Jazz einfach nur musizieren. Das können er und seine Freunde nämlich bei weitem besser.