Benny Wallace Quartet | 01.04.2006

Donaukurier | Lorenz Erl
 

Drangvolle Enge im „Birdland“-Jazzclub, sogar die Stehplätze sind Tage voraus schon reserviert. Benny Wallace kommt, zum dritten Mal innerhalb von eineinhalb Jahren schon gastiert der Magier am Saxofon im Keller unter der Hofapotheke.

Hier haben die Fans die Chance, einen der weltbesten Tenoristen live zu erleben, längst erkannt. Es ist sein letzter Auftritt zum Ende seiner dreiwöchigen Welttournee – der Schlusspunkt gehört dem „Birdland“ und seinem Publikum. Prickelnde Gänsehautatmosphäre hängt in der Luft, fast greifbare Spannung dominiert den Raum. Benny Wallace hält sich nicht lange mit Förmlichkeiten auf, wenige Begrüßungsworte nur und dann bricht über seine Lippen ein Feuersturm ins Mundstück.

Der hagerer Mann aus Greenwich/Connecticut hält diese verbale Askese fast den ganzen Abend lang durch, sagt nur das Notwendigste und erklärt auch mal, warum er ein Luftventil an seinem Sax mit einer Fünf-Euro-Note reinigt. Später verschließt er eine Luftklappe mit dem Papierschein und verändert damit seinen Sound – auch dafür kann Geld gut sein.

Wallace lässt sein Publikum nicht erst langsam hineingleiten in seine Welt aus Saxofon, Improvisation, glühend heißen, wellenartigen Phrasierungen. Er springt unvermittelt mitten hinein in die siedenden Sequenzen. Den Auftakt der Nacht gestaltet er zu einem Highspeed-Rennen auf dem musikalischen Freeway. Der 59-jährige hetzt wie ein Gejagter über die ganze Bandbreite dessen, was ein Weltklassemusiker aus dem gewundenen Blech zaubern kann. Immer wieder stürzt er sich auf die Themen, rast die Skalen-Achterbahn rauf und runter, umkränzt die Töne und schält schließlich die klaren Inhalte hervor. Benny Wallace zeigt die Lust am Experimentieren und reizt sein Instrument immer wieder aufs Neue aus, lässt den Tönen keine Ruhe.

Fast den gesamten ersten Teil des Abends macht er einen weiten Bogen um alles, was sich nach Ballade anhören könnte. Die reinen, sanften, luftigen Essenzen seiner schmeichelnden wabernden Emotionalitäten hat er in die letzte Stunde seines Gastspiels gelegt. Und hier zeigt sich seine wilde Seele gezähmt. Gestützt, aufgefangen, eingebettet wird sein grandioser Sound dabei von den exzellenten Begleitmusikern Danton Boller am Bass, dem begnadeten Swinger Alvin Queen an den Drums und dem wuseligen, mit vier Schlegeln operierenden Steve Nelson am Vibrafon. Das gläsern wirkend Perkussionsinstrument kontrastiert perfekt den orkanartigen Sax-Ton und lässt keine Sehnsucht nach einem Klavier aufkommen.

Der Chef gibt seinen kongenialen Mitstreiter viel Raum. Wenn Nelson oder Queen solieren, tritt er schon mal dezent an den Rand der Bühne. Den Schluss behält sich der Meister selber vor. Er formt sein goldenes Horn zum eleganten Schmeichel-Instrument und legt seine ganze Seele in eine finale Liebeserklärung. Auch für das „Birdland“. Wallace: „Ich bin nun zum dritten Mal hier und ich fühle mich wie zu Hause.“ Das Publikum jedoch kennt keine Gnade. Mit Stakkato-Klatschen trotzt es noch mit „Love For Sale“, „Smoke get in your Eyes“ und „Con Alma“ von Dizzy Gillespie als Zugabe weitere Lavaströme aus dem unvermindert aktiven Kreativvulkan ab. Great Job, Bennie! Bis zum nächsten Mal in Neuburg!