Esther Kaiser Quintett „Song of Courage” | 13.04.2018

Donaukurier | Karl Leitner
 

Als Esther Kaiser, die famose Jazzsängerin aus Berlin, an diesem Abend im Birdland ihre höchst originelle Coverversion des Bowie-Hits „This Is Not America“ anstimmt und später dann die noch originellere des Pete Seeger-Klassikers „We Shall Overcome“, kann niemand ahnen, dass im Laufe der gleichen Nacht noch Raketen auf Damaskus niedergehen würden. „This Is Not America“? – Leider doch. Und die Vision von „We Shall Overcome?“ – Ebenso brutal niedergewalzt wie seinerzeit Martin Luther King’s „I Had A Dream“. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie sich erst Hasan Al Nour fühlt, der mit seinem Kanun, einer Kastenzither aus dem Nahen Osten, den Sound der Band so entscheidend bereichert. Damaskus ist schließlich seine Heimatstadt.

Es ist geradezu beängstigend. Da hat eine Gruppe von Musikern ein spezielles Programm zusammengestellt, das sich ausschließlich mit der Transformation von Protestsongs des Rock, Pop und Folk ins Jazzidiom beschäftigt, und fast zeitgleich tritt wieder einmal genau das ein, wogegen einst Seeger oder Bob Dylan mit „Masters Of War“ vergeblich angesungen haben: Gewalt regiert. Selten sind die alten Protestsongs aus den Sechzigern so aktuell wie in dieser Nacht.

Schon mit ihrer CD „Learning How To Listen“ von 2015 mit Stücken der Sängerin und Bürgerrechtlerin Abbey Lincoln demonstrierte Esther Kaiser ihre Vorliebe für Kompositionen mit eindeutiger Botschaft. Mit dem aktuellen Album „Songs Of Courage“ tut sie ebendies wieder, und zwar diesmal als Grenz-gängerin. Sie steht mit beiden Beinen auf dem Fundament des Jazz, erlaubt sich aber immer wieder Berührungen und Verflechtungen mit dem Ethnobereich oder dem des Chansons. Zerbrechliche Stücke und kraftvoll swingende Nummern wechseln sich ab, das Kanun, eine Voicebox und eine O-Ton-Einspielung von Berthold Brecht zur Musik von Hans Eisler sorgen für Farbtupfer. Und vor allem: Esther Kaiser ist eine ganz vorzügliche Sängerin, die locker mithalten kann mit Kolleginnen wie Caecilie Norby oder Viktoria Tolstoy, wobei Kaisers Konzept, in dem so viele Einflüsse, Strömungen zusammentreffen, letztendlich vielleicht sogar das Interessantere ist.

Nachhören kann man die zwei höchst angenehmen Stunden mit Kaiser, Al Nour, dem Schlagzeuger Roland Schneider, dem Bassisten Marc Muellbauer und dem Pianisten Tino Derado in komprimierter Form auf der CD, die wie das Programm auch mit „Songs Of Courage“ betitelt ist, allerdings erst im August erscheint. Aber wie so oft gibt es im Birdland anscheinend Dinge, die es sonst nirgends gibt, zum Beispiel die Vorabpressung eines – übrigens hervorragenden – Albums, auf den Rest der Republik noch ein Vierteljahr warten muss.