ESQ European Swing Quintet | 15.02.2025

Donaukurier | Karl Leitner
 

Man hätte sich ja auch zusammen mit Millionen ähnlich Fehlgeleiteter den zur gleichen Zeit laufenden Vorentscheid zum European Song Contest (ESC) in der Glotze antun können. Und viele taten das wohl auch, nicht aber die, die an diesem Abend das Birdland anlässlich des Gastspiels des European Swing Quintets (ESQ) bis auf den letzten Platz füllen.

ESC kennt jeder, ESQ kannte bislang keiner. Um ersteren tobt der inszenierte Hype, hinter der Band, die da im Birdland auftritt, steckt Qualität. Es ist ein bisschen wie bei damals bei David gegen Goliath, nur dass heutzutage fast immer Goliath gewinnt und mit ihm Blendwerk, Großspurigkeit und die Hülle ohne Inhalt, wohingegen David im globalen Musikkosmos ein Nischendasein führt. Dabei war die Musik, um die es dem Quintett aus den Niederlanden geht, selber einmal höchst massentauglich. In ihrer Blütezeit war Swing das, was Trash-Pop heute ist, und Leute wie Benny Goodman, Glenn Miller und Ella Fitzgerald waren Superstars.

Und wer ist verantwortlich dafür, dass dieser Swing immer noch hoch und in Ehren gehalten wird? Impressarios wie Manfred Rehm und Musiker, die ihn lieben. Frits Landesbergen (Vibrafon) und David Lukács (Klarinette, Tenorsaxofon), Edwin Corzilius (Konntrabass), Gijs Dijkhuizen (Schlagzeug) und Alexander Brott (Gitarre) tun das und nehmen sich mit ihrem gut zweistündigen Programm zwei seiner Säulenheiligen an, nämlich Benny Goodmans und Lionel Hamptons, bringen deren Kompositionen und Teile aus deren einstigen Setlists auf die Bühne und Landesbergen bringt sogar das Kunststück fertig, selber Stücke im Stile seiner großen Vorbilder zu schreiben, zu arrangieren und mit Verve ins Birdland-Gewölbe zu wuchten auf eine Art, die niemanden kalt lassen kann.

Die fünf Herren auf der Bühne machen dem legendären Quintet von einst mit Goodman, Hampton, Teddy Wilson, Gene Krupa und Charlie Christian alle Ehre und lassen aus der über eine viel zu lange Zeit nur noch schwach glimmenden Glut noch einmal die Funken schlagen, entfachen das einstige Feuer neu. Die Band erweist sich als bestens geschmiertes Ensemble, dessen Hochleistungsmotoren nur so dahin schnurren und mit gehörig PS unter der Haube für den nötigen Druck sorgen. Natürlich sind Klassiker wie „How High The Moon“ und „Stardust“ der ideale Soundtrack für diesen Trip in die Vergangenheit, aber dabei bleibt es ja nicht. Das ESQ beamt quasi den Sound und den Charakter jener Musik in die Gegenwart, überträgt ihn auf Eigenkompositionen wie „Cruisin‘ With Franz“ oder „The Road Riff“, lässt rückblickend der glanzvollen Ära des Swing neue Anerkennung zu Teil werden und verschafft ihm damit wohl auch ein neues Publikum.

Was Landesbergen und Lukács, die beiden Initiatoren hinter dem Projekt „Benny & Lionel Meet Again“, hier tun, kommt nicht von ungefähr. Beide sind auch Mitglieder der Dutch Swing College Band und somit durchaus bewandert in Sachen Vintage-Jazz. Hier freilich dürfen sie sich konzentrieren auf ihre Helden und somit so richtig in die Tiefe gehen. Das Publikum goutiert dieses Unterfangen, honoriert es mit heftigem Applaus und ignoriert den ESC. Womit es zum Ausdruck bringt, dass zumindest nicht alles verloren ist und sich – wenn auch viel zu selten – Qualität bisweilen doch durchsetzt.