Eric Vloeiman Quartet | 02.12.1995

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Zu Beginn stimmte überhaupt nichts: die Band erreichte mit ihrer jugendlich-wilden Mixtur der Stile nur schwer das Publikum und – was noch viel schlimmer wog – der Lautstärkepegel bewegte sich ohne Unterlaß an oder über der Schmerzgrenze. Daß der Gig im Neuburger Birdland Jazzkeller unter dem Strich dennoch nicht als Flop zu Buche schlug, lag einzig und allein an der Hauptperson des Abends, dem holländischen Trompeter Eric Vloeimans.

Das Riesentalent aus Rotterdam besitzt nämlich ein derart gewaltiges Potential, daß damit die innovatorischen Vorstellungen eines Dizzy Gillespie problemlos ins 21. Jahrhundert transportiert werden könnten. Kritiker vergleichen Vloeimans bereits mit dem 1993 verstorbenen besten Jazztrompeter aller Zeiten, vermutlich weil er über einen ähnlich strahlenden, aber etwas dünnen Ton verfügt. Auch nutzt der Niederländer ganz bewußt zusätzliche Noten, wie die sogenannten Flatted Fifth, für Taktschwerpunkte sowie moderne Akkorde und verfügt außerdem über eine bemerkenswerte Energie, mit der jedes Stück für ihn zu dem körperlichen Erlebnis gerät, das von Kritikern gerne blumig als „Musik aus dem Bauch“ umschrieben wird.

Das große Plus Eric Vloeimans liegt freilich in seiner Fähigkeit, die Trompete Geschichten erzählen zu lassen. Seine Bandbreite reicht dabei von flüsternd-gehaucht bis elegisch schreiend. Sämtlichen Eigenkompositionen liegen autobiographische Ereignisse zugrunde, sei es die Ballade „Six a. m. for C. J.“ oder beispielsweise das spritzig-funkige „Miss Tart“. Mit nach unten gerichtetem Instrument phrasierte er im Birdland allerdings stets wie ein Musiker der späten New Yorker Bebop-Ära, obwohl seine Ensemble-Kollegen jede Menge Bluestupfer, Bossafetzen oder Rockmetren einstreuten. Zufall oder nicht: ausgerechnet die Neudeutung des durch Miles Davis bekannt gewordenen Klassikers „Bye bye Blackbird“ im rasanten Up-tempo verlieh Vloeimans Spiel die ihm gebührende Größe und Aura.

Vielleicht sollte sich der noch junge Holländer auch überlegen, künftig mit einem veränderten, durchaus modernen Konzept sowie anderen Musikern an die Öffentlichkeit zu gehen. Obwohl die Lautstärke nach der Pause dankenswerterweise zurückgefahren wurde, machte Anton Goudsmit weiterhin ungetrübt den Heavy-Metal-Gitarristen und Pieter Bast mimte den Kraftmeier an den Drums, der offenkundig jedermann zeigen wollte, wie fest er zuhauen kann. Ausgenommen werden muß hier freilich der Kontrabassist Arnold Dooyeward, der mit flexiblen, nuancierten Linien vor allem beim Duo mit Vloeimans („Verdict“) viele Pluspunkte sammelte.