Equilibrium | 26.02.2016

Donaukurier | Karl Leitner
 

Wie klingt eigentlich die unendliche Stille nördlich des Polarkreises? Kann man das diffuse Licht des arktischen Winters in Töne fassen? Ist die Aurora Borealis mit Geräuschen verbunden? – Fragen wie diese können einem durchaus in den Sinn kommen, hört man die Kompositionen von Equilibrium an diesem Abend im Neuburger Birdland Jazzclub.

Gleich die erste Nummer heißt „Cathe-dral“ und klingt auch dementsprechend. Wie in einem riesigen Naturdom unter mächtigem nordischem Himmel kommt man sich vor. Wenn die vier Oktaven umfassende, glasklare und durch Halleffekte unterstütze Stimme der aus Olso stammenden Ausnahmesängerin Sissel Vera Pettersen das Gewölbe des Birdland zum Schwingen bringt, wenn die tiefen Töne des belgischen Klarinettisten Joachim Badenhorsts mit der sphärischen Gitarre Mikkel Plougs aus Kopenhagen sich zusammenfügen zu einer einzigartigen Soundlandschaft, dann entsteht durch diesen unwiderstehlichen Klang des Nordens und die durch ihn hervorgerufenen Assoziationen im Kopf des Zuhörers eine ganz eigene Aura.

Vermutlich haben die Stücke des Trios, in der kammermusikalische Minimalismen mit Live-Samples und den Klangspiralen der Loop-Maschine zusammentreffen, in denen Kühle und Wärme glei-chermaßen mitschwingen, mehr mit den Ambient-Sounds eines Brian Eno zu tun als mit herkömmlichem Jazz. Aber gerade das macht das Ergebnis so einzigartig, diesen Klang zum Phänomen und das Konzert stellenweise zu einer Art akustischer Performance. Der irre Sound einer durch Effektgeräte gejagten Maultrommel in Verbindung mit einer zum Didgeridoo umfunktionierten Bassklarinette, die abenteuerlichen Lautierungen Pettersens, die die komplette Fauna des tropischen Regenwald zum Leben erwecken, die sich spiralig drehenden, pluggernden und wie unter Hypnose sich verselbstständigenden Grooves Plougs – das alles ist ungemein faszinierend. Und am Ende schließt sich quasi der Kreis, wenn der Klassiker „Somewhere Over The Rainbow“, dem ja nicht umsonst eine gewisse Verwandtschaft zu Edvard Grieg nach gesagt wird, und George Harrisons „Here Comes The Sun“ herangezogen werden als Beleg sozusagen dafür, dass die drei Musiker auf der Bühne sich bei aller Neugier auf musikalisch weitgehend unbeackerte Regionen durchaus auch ihrer Wurzeln bewusst sind.

„Equilibrium“ bedeutet Gleichgewicht, Balance. Genau die fühlt man in dieser Musik. Nichts eilt, nichts pressiert. Zeit bekommt eine neue Bedeutung. Der Weg wird zum Ziel. Vermutlich nicht umsonst heißt die aktuelle CD dieses außergewöhnlichen Trios „Liquid Light“.
Übersetzt man ihn in den Bereich des Akustischen, kommt man direkt zu Equilibrium und ihrer einzigartigen Musik.