Enrico Rava’s 80th Anniversary (Audi Forum Ingolstadt) | 10.10.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Was macht ein älterer, grauhaariger Herr, wenn er 80 wird? Er wählt eine passende Lokalität aus, lädt Gäste ein und lässt sich feiern. Der italienische Trompeter Enrico Rava, der im August dieses Jahres seinen runden Geburtstag gefeiert hat und beileibe nicht den Eindruck macht, als würde er je in Ruhestand gehen, tut genau das.

Er hat Musikerkollegen um sich geschart, die allesamt seine Enkel sein könnten und blickt musikalisch zurück auf all die Jahre, all die Spielarten des Jazz und all die biografischen Stationen seiner langen Karriere. Dafür hat er sich ein paar besonders geeignete Spielstätten ausgesucht, unter anderem das Audi Forum, in dem auch ein Team des Bayerischen Rundfunks anwesend ist, um das Konzert, das gleichzeitig das „9. Birdland Radio Jazz Festival“ eröffnet, aufzuzeichnen.

Rava, der an diesem Abend ausschließlich das Flügelhorn spielt, präsentiert seinem Publikum zusammen mit Gianluca Petrella (Posaune), Francesco Diodati (Gitarre), Giovanni Guidi (Klavier), Gabriele Evangelista (Kontrabass) und Enrico Morello (Schlagzeug) Skizzen aus dem Logbuch einer zeitlichen, geografischen und musikalischen Abenteuerreise, stellt liebgewonnene Stücke aus seinem umfangreichen Repertoire vor, schwelgt in Erinnerungen, schöpft aus seinem reichen Erfahrungsschatz. Doch das ist nur ein Aspekt dieses Konzerts, und zwar der kleinere.

Denn Rava ist trotz seines Alters immer noch hungrig, neugierig, nach wie vor aus auf neue Abenteuer. Deswegen hat er mit seinen Kollegen auch nur die erste Nummer verabredet, alles was nachher kommt, entsteht aus dem Augenblick heraus. Und es entsteht wahrlich eine ganze Menge. Mal benutzt er einen Standard als Basis, mal lässt er einfach seine und die Ideen seiner Kollegen fließen. Man kann miterleben, wie aus einer melodischen Skizze, einem Kürzel, einer hingeworfenen Figur sich eine komplette Komposition entwickelt. Aus den wabernden Flächen und den wogenden Klanglandschaften des Gitarristen wachsen überaus kunstvoll modellierte Skulpturen heraus, die von den Bläsern lustvoll aufgegriffen und entführt werden in luftige Höhen, und während Schlagzeug und Bass den Kontakt zum Boden halten, steuert der Pianist auf höchst unkonventionelle Weise entweder kleine Einsprengsel bei oder schüttet voller Übermut Tonhaufen ins eh schon unruhige Gelände.

Was Rava und seine Band an diesem Abend im Audi Forum bieten, ist in der Tat spannend, unorthodox und aufregend. Der Bandchef selbst gibt sich zwar abgeklärt, aber man spürt die unbändige Lust, die hinter seinem Tun steckt. Dieser Mann liebt das Abenteuer. Immer noch. Auch mit 80. Nachträglich herzliche Glückwünsche, Signor Rava. Und beim Neunzigsten wollen wir unbedingt wieder eingeladen werden.