Engstfeld – Weiss Quartett | 18.01.2002

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Es ist tatsächlich stets das Selbe, noch dazu dargeboten innerhalb des gnadenlosen Konkurrenzwettbewerbs, den das internationale Programmangebot des „Birdland“-Jazzclubs nun mal eröffnet hat. Woche für Woche werden hier alte Moden sowie neue Trends und damit ein repräsentativer Querschnitt dessen serviert, was 2002 unter dem zunehmend nebulöseren Begriff „Jazz“ firmiert. Gerade in einem solchen Umfeld, wo Individualität längst als überlebensnotwendiges Attribut für alle Musiker gilt, wirken gefahrlose Hommagen an glühend verehrte Vorbilder eher kontraproduktiv. So klingen wie die Amerikaner – das war schon immer typisch deutsch und das grundsätzliche Problem der hiesigen Jazzszene.

Vielleicht hatte die Düsseldorfer Combo ja auch nur einen schlechten Tag erwischt, weil einiges von dem nicht klappen wollte, was eine gute eben von einer sehr guten Band unterscheidet: Die Feinabstimmung im Zusammenspiel, die Ausgeglichenheit bei den Solisten und vor allem schlicht der Aufbau einer gediegenen Atmosphäre. Aber wie soll dies auch gelingen, wenn tausendfach gehörte Standards ihren – zugegeben geschickt kaschierten – 1001. Aufguss erfahren und die Eigenkompositionen viele verdächtig bekannte Harmonien beinhalten?

Gerade Wolfgang Engstfeld und Peter Weiss stehen für eine der kreativsten Männerfreundschaften in der nationalen Szene. Zwei mit allen Wasser gewaschene Fahrensleute, die zusammen viele Jahre intensiver Erfahrung bündeln, über tausend Stunden auf Bühnen, in Studios oder „on the road“ verbrachten. Engstfeld ist ein Fährtenleser am Tenorsaxofon, ein Spürhund, der alle verwischten, verborgenen Wendungen aus dem rhythmischen Laub herausschnüffeln kann. Ein kalkulierbarer Draufgänger, der sich auch mit 51 Jahren noch jeden Skalenhang todesmutig im Schuss hinunterstürzt, aber auch ein behänder Harmonienkletterer, gelenkig, mit rauchigem, gleitendem Balladenton.

Der Mann könnte allein ein Konzert ausfüllen oder sich zusammen mit seinem seelenverwandten, gleichaltrigen Kumpel Weiss am Schlagzeug, der stets Prisma oder Basis, Kommunikator oder Antreiber sein will, ein adäquates Duo leisten. Stattdessen fungieren beide wider Willen als Sklaven eines nur selten homogenen Kollektivs. Hendrik Soll, einen überforderten, blassen Pianisten an der Seite, dessen Reminiszenzen oft seltsam gezwungen an der Oberfläche einher schlittern, Christian Ramond, einen soliden, aber unscheinbaren Bassisten im Rücken, und wenig brisante Songs vor sich auf dem Notenblatt.

Das fachkundige Publikum spürte, was da (nicht) abging. Als Reaktion gab es allenfalls Höflichkeitsapplaus – gerade so viel, um die engagierten Protagonisten nicht unnötig vor den Kopf zu stoßen, gerade so wenig, um nur ja keine Zugabe zu provozieren. Ein dezenter, aber unmissverständlicher Denkzettel.