Emmet Cohen Trio | 26.02.2022

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Es gab zwei bezeichnende Szenen an diesem Abend im Birdland Jazzclub: Das Emmet Cohen Trio wurde beim Einzug zum zweiten Set von einem Spalier applaudierender Zuhörer fast auf die Bühne hinaufgetragen, ähnlich dem Einzug von Pop- oder Politmatadoren in eine Arena. Und als erste Zugabe war – auch für Jazzclub-Impresario Manfred Rehm überraschend – ein verrückt-fetziges Klavier-Duo zu zwei, drei und vier Händen zu hören, das mit immer neuen Einfällen das Publikum in strahlendes Staunen versetzte.

Der Münchner Jazz-Pianist Bernd Lhotzky, der zuvor unauffällig auf einem Hocker das Programm genossen hatte, ging plötzlich zur Bühne vor, umarmte seinen Piano-Freund Emmet Cohen und legte mit dem Bandleader zu einem rasanten Ausritt über die großen Jazz-Standards der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts los. Und das mit einer Lust am Improvisieren, dass einem Hören und Sehen verging. Was diese zwei Tausendsassas auf dem Flügel herausholten, wie sie im fliegenden Wechsel mal nebeneinander in die Tasten hauten, sich mal allein in die wildesten Einfälle versenkten, das war ganz großer musikalischer Spaß.

Was Lhotzky und Cohen da veranstalteten, zeigte in der Art des Rückgriffs auf die ungebändigte, wilde Musik der Jazzclubs im Harlem vor hundert Jahren die Quintessenz des ganzen Abends. Die beiden überraschen sich selbst und erst recht die Zuhörer mit verwegenen Sprüngen, mit herrlich aufgemotzten Zitaten aus den alten Standards. Und sie biegen mit spitzbübischem Schalk in einen ganz anderen Jazz-Weg ab, wenn man glaubt, jetzt ginge es mal ein größeres Stücke auf der Mainstreet entlang. Lhotzky-/Cohen bieten Kabinettsstückchen über alle 88 weißen und schwarzen Tasten hinweg.

Das Piano ist im Emmet Cohen Trio der dominierende Part, das Konzert firmiert unter dem Markenzeichen „Art of Piano“. Man darf aber auch „Art of Bass“ und „Art of drums“ hinzufügen. Wer mit dem Cohen musizieren will, der muss mit Kontrabass und Schlagzeug etwas Besonderes machen. Genau das tun der Bassist Yasushi Nakamura und Kyle Poole an den drums. Nakamuras Spiel ist sehr weit gespannt, sein Bass klingt in den leisen Passagen tiefenentspannt, mit großem Vibrato und warmem Sound, gleich darauf wechselt er in eine Tonwelt, die fast wie eine Harfe anmutet: Ganz kurze, leicht metallische Girlanden in einer faszinierenden Leichtigkeit. Und im Improvisieren ist der Mann aus Japan schwer zu übertreffen.

Überraschungen, immer wieder. Der Schlagzeuger erlaubt sich plötzliche Knaller. Zuerst zuckt man fast zusammen, dann folgt das befreite Lachen, weil der Witz erkennbar wird. Alle drei Jazzer versprühen Freude am Spiel mit dem Zuhörer und mit sich selbst, etwa bei Songs wie „Joung and foolish“ genauwo wie „Country emotion“ oder „Where is love?“. Ein paar Takte drehen sie im Presto-Wahn richtig auf, dann schwingt die Stimmung ins Spielerisch-Leichte, obwohl gerade diese Passagen technisch „sauschwer“ sind.

Und wenige Sekunden später scheint es, als ob ein paar Instrumente dazukämen. Der Pianist greift in den Korpus des Flügels hinein und zupft dort die Stahlsaiten an, was frappierende Klänge hervorbringt, der Bassist schlägt mit der ganzen Hand auf sein Instrument, und die Becken und Trommeln klingen wie von Ferne. Ein, gelinde gesagt, ungewöhnlicher Jazzgenuss.