Emiliano Sampaio’s Meretrio | 07.04.2018

Donaukurier | Karl Leitner
 

Sie kommen aus der brasilianischen Metropole São Paolo, leben derzeit im steirischen Graz und spielen im Birdland Jazzclub in Neuburg. Stilistische Schubladen wie Modern Jazz oder Mainstream werden ignoriert, und wenn das, was Gitarrist/Posaunist und Bandchef Emiliano Sampaio, Bassist Gustavo Boni und Schlagzeuger Luis André Carneiro de Oliveira das auf der Bühne von sich geben, überhaupt kein Jazz wäre, wäre ihnen das auch egal. Rotzfrech, unbekümmert, mit Witz und sehr charmant ignorieren die drei die ansonsten gültigen Grenzen und bieten Kompositionen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnte.

„Wir arbeiten jetzt seit 14 Jahren zusammen und haben bereits alles Mögliche gespielt“, erklärt Sampaio, „sogar Heavy Metal. Heute bieten wir euch ein Best Of-Programm.“ In der Folge stehen traditionelle brasilianische Mandolinenstücke aus den 1920er Jahren einträchtig neben einer Nummer wie „Bandit“, bei der man meint, Ry Cooder vor sich zu haben, und dem Titel „Answer“, das Sampaio an Fred Frith adressiert hat. Und genau so hört es sich an. Perlende Singlenote-Läufe und gleich darauf im Intro gesampelte Posaunenfiguren, die als Groove-Basis dienen für eine funky Fusion-Nummer. Die Abteilung „Ballade“ wird bedient mit „Óbvio“, dem Titelstück der aktuellen CD des Trios, während der „New Years Blues“ förmlich nach New Orleans riecht. In der zweiten Hälfte des Programms fühlt man sich angesichts des Experimentaltitels „Interpretations“, als säße man in einem Konzert von King Crimson und „Valse“ schließlich ist ein durch den rhythmischen Wolf gedrehter Wiener Walzer mit dem Aufkleber „Made in Brazil“.

Die Kompositionen sind zwar komplex, machen aber auch jede Menge Spaß. Bassist und Schlagzeuger müssen höllisch auf der Hut sein, um Sampaio’s kompositorischen Drehungen und Wendungen zu folgen. Ständig ändert sich etwas, Rhythmen, Melodiebögen, Tonarten. Doch die Band arbeitet traumhaft sicher zusammen, ist hoch konzentriert und gleichzeitig auch noch ziemlich lässig. Nach dem Mann am Schlagzeug könnte man bedenkenlos die Uhr stellen und Gustavo Boni füllt nicht nur mit reichhaltigem Sound die Räume, sondern ist als Solist am E-Bass ebenso wichtig wie der Bandleader selbst.

Am Ende des Konzerts stehen zwei Zugaben. „Das hatten wir noch nie“, sagt Sampaio. „Sonst wollen die Leute immer nur eine.“ Nicht so das Publikum im Birdland, das anschließend Ohrenzeuge der Bühnenpremiere von „Red Eyes“ wird. Und ja, es wäre tatsächlich jammerschade gewesen, hätte diese so überaus originelle Band uns das brandneue Stück als Appetizer auf das nächste Album vorenthalten.