Emil Mangelsdorff Quartet | 29.09.2000

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Spät kam er, doch er kam. Als Stauopfer hatte er viele lange Stunden Stop and Go von Frankfurt bis in die Ottheinrichstadt hinter sich gebracht. Aber Emil Mangelsdorff steht schon zu lange auf der Bühne, als daß er sich von solchen Unbilden des Autobahnzeitalters nachhaltig beeindrucken ließe.

Obwohl im ersten Set die Handbremse selten ganz gelockert erscheint, ist sein warmes volltönendes Altsaxophon von der ersten Sekunde an präsent im Keller der Hofapotheke, läßt die Dreiviertelstunde des Wartens ins Nichts schrumpfen. Offen bläst Mangelsdorff das erste Thema an, lehnt sich dann etwas zurück, schnauft durch und läßt erst mal seinen Sidemen Raum, Groove und Spannung aufzubauen, ihre Claims abzustecken, bevor er sein Alto free und easy sich entfalten läßt.
Charlie Parkers „Barbados“, Mingus‘ „Softly As In a Moming Sunrise“, Mangelsdorff interpretiert eigenwillig, mit Verve und Phantasie und in deutlicher Verbundenheit mit den Klassikern des Bebop auch bei Standards wie „Body and Soul“ oder „Long Ago And Far Away“. Mangelsdorff überzeugt auch am Sopransaxophon, am Alto jedoch ist er ein Meister, Dynamik und Präsenz im Ton zeichnen ihn aus sowie Konsequenz in der Linienführung, die nie glatt wirkt, sondern immer in eigenwilliger Aussagekraft sich entwirft.

Jörg Reiter profiliert sich am Piano mit monkesk verzahnten Notenknäueln. Vithold Rek am Baß zeigt sich als grundsolider Basisarbeiter, der nach anfänglichen Soundproblemen Groove und Fülle beiträgt. Janusz Stefanski am – deutlich zu lauten – Schlagzeug spielt verhängte Rhythmen und eckige Beats, die hart und schwer in den Raum fallen wie die Regentropfen eines Sommergewitters.

Im ersten Set gelang es den Vieren nicht immer, Bindung und Spannung auf gleichbleibendem Niveau zu halten. Nach der Pause jedoch hatten sie offenbar den Stau endgültig aus den Gliedern geschüttelt, gingen wirklich aus sich heraus und immer intensiver aufeinander zu. „Chicken Feathers“, „There Will Never Be Another You“ und ein fulminanter Blues entwickeln sich zu Höhepunkten eines mehr und mehr bemerkenswerten Konzertabends. Und zum Schluß blitzte dann auch noch die Portion Humor auf, ohne die das Leben wohl nicht wirklich lohnte.