Echoes of Swing & Rebecca Kilgore | 19.12.2019

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Wenn die Basstrommel geheimnisvoll-erhaben rollt, wenn die Trompete ein paar mit dem Dämpfer katalysierte Growls hervorpresst, das Altsaxofon sich wie ein Mauersegler in den dabei entstehenden Aufwind legt und das Piano wie spritziger Champagner perlt, dann klingt das unzweifelhaft wie die Echoes Of Swing, Europas erfolgreichstes Retro-Jazzensemble. Aber diesmal ist einiges anders. Da drechselt plötzlich ein Bassist kunstvoll seine filigranen Linien in das fesche Soundgefüge hinein, ein Gitarrist zickt sich ganz behutsam in Rage. Und vor allem: Eine Sängerin steht mit auf der Bühne. Das, was bislang ohne jedwede vokale Garnierung auskam, nur getragen von dem schaufelnden Swing-Raddampfer des ungemein populären Quartetts, das funktioniert mit einem mal auch in starker Septett-Besetzung.

Da herrscht drangvolle Enge, nicht nur auf, sondern traditionell auch vor der Bühne. Der Hofapothekenkeller ist brechend voll – und das an einem Donnerstagabend kurz vor Weihnachten, nicht zuletzt weil die Fans der „Echoes“ den Swing in dieser besonderen Form lieben und hoffen, dass sie zu diesem besonderen Datum mit einigen klingenden Geschenken zum Fest verwöhnt werden. Und, was Wunder: Die Echoes-Of-Swing-XL-Version tut den Leuten natürlich den Gefallen.

Die musikalische Bescherung erfolgt schon fünf Tage früher, vor allem weil die Stammmitglieder Colin T. Dawson (Altsaxofon) und Chris Hopkins (Trompete) an den vereinigten Blaswerken immer mehr ihre Kräfte zu verdichten verstehen, während Bernd Lhotzkys Hände über die 88 Tasten des Bösendorfer-Flügels federleicht tanzen, dass einem warm ums Herz wird. Über die Qualitäten von Oliver Mewes am Drumset noch Worte zu verlieren, hieße sowieso, eine Dixieland-Combo nach New Orleans zu tragen. Dieser Schlagzeuger bedient sich zwar alter, längst in Vergessenheit geratener Techniken, klingt aber zu keiner Sekunde altbacken, sondern gibt der grandiosen Performance mit seinem vertrackten Backbeat erst den richtigen Swing-Kick.

Dass sich die „Echoes“ in diesem Jahr vergrößert haben, ist ihrer ungebrochenen Experimentierlust geschuldet, die sich nie auf das bloße Rekapitulieren muffiger Evergreens beschränken würde. Ein Bassist wie Henning Gailing war mit seinem Walking-Bass eigentlich sowieso die logische Konsequenz, ebenso wie der feine Gitarrist Rolf Marx, der mit zwei fast unhörbar leisen katalanischen Weihnachtsliedern auf der Akustischen angenehm gedämpften Akzente setzt. Und dann ist da vor allem die famose englische Sängerin Rebecca Kilgore, die sich als traumhaft intonationssichere Stimme elegant wie eine Balletteuse zwischen den Instrumenten zu bewegen weiß. Ein frische, perspektivisch interessante Ergänzung, die vor allem in Songs wie „Snow“ von Irvin Berlin ihre stärksten Momente besitzt.

Dabei entsteht eine rasante Schlittenfahrt von der Brexit-Insel, wo Kilgore, Dawson und Hopkins herstammen, in die deutsche Tiefebene und weiter galoppierend in Richtung Voralpenland, mit einem ausgedehnten Zwischenstopp im Birdland-Keller. Dort grooven sich Künstler wie Publikum gleichermaßen selig-launig auf die anstehenden Feiertage ein: „Santa Claus Is Coming To Town“, „3 Wise Men“ (Die drei Heiligen Könige), viel Klingeling, gute Laune und jede Menge feinster Swing. Die heftig erklatschte Zugabe handelt schließlich von einer Glocke, die ihren Klöppel verloren hat („The Bell That Couldnʼt Jingle“). Das Finale eines Ohrenschmauses, wie auch die kabarettreifen Ansagen von Bernd Lhotzky. Und die Gewissheit, dass Weihnachten ohne Swing eigentlich nur halb so schön ist.