Dutch Swing College Band (Audi Forum Ingolstadt) | 19.05.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Ist die Dutch Swing College Band vielleicht sogar mit den Rolling Stones vergleichbar? Sicherlich, das bis auf den letzten Platz besetzte Audi Forum, in dem das legendäre Sextett aus Den Haag auftritt, ist nicht das Olympiastadion und die beiden Ensembles spielen auch in höchst unterschiedlichen Gewichtsklassen, aber Ähnlichkeiten sind nicht von der Hand zu weisen. Beide sind Ikonen auf ihrem Gebiet, in beiden Fällen weiß jeder Besucher bereits vor dem Konzert genau, was ihn erwarten wird – was ja auch der Grund ist, weswegen er hingeht. Jeder will vor allem die Hits aus der Vergangenheit hören, mit der die Bands einst groß geworden sind. Und genau die bekommt er dann auch.

Die Durch Swing College Band wurde vor 77 Jahren gegründet, steht seither für traditionellen Oldtime Jazz und Swing und hat nicht nur eine Reihe der wichtigsten Klassiker aus New Orleans und Umgebung im Programm, sondern gleich eine ganze musikalische Ära mit dazu. In der aktuellen Besetzung mit Keesjan Hoogeboom (Trompete), Adrie Braat (Kontrabass), David Lukás (Klarinette, Sporan- und Tenorsaxofon), Frits Landsbergen (Schlagzeug), Bert Boeren (Posaune) und Peter Kanters (Banjo, Gitarre) präsentiert die Band mit all ihrer Erfahrung und ungemein souverän Duke Ellington und Jelly Roll Morton, „Ain’t Misbehavin’“, „die „Bourbon Streets Parade“ und den „Tiger Rag“ und gibt sich auch im Umgang mit dem Publikum in höchstem Maße professionell.

Bei aller Routine, die sich die Band im Laufe der Jahre erworben hat, erstarren die betagten Kompositionen nie zu oftmals gespielten und gehörten Hülsen, sondern sind mit Leben gefüllt. Das liegt an den immer wieder aktualisierten Arrangements, für die aktuell vor allem David Lukás zuständig ist, und an den effektvoll in sie eingebetteten Soli aller Beteiligten. Durch die zahlreichen personellen Umbesetzungen wird das Ensemble immer wieder mit frischem Blut und neuen Ideen versorgt. Frits Landsbergen etwa ist so neu in der Band, dass sein Konterfei noch nicht mal auf dem aktuellen Pressefoto zu sehen ist. Adrie Braat hingegen ist bereits seit 1988 mit an Bord. Das Erfolgsrezept besteht darin, die Tradition zu pflegen, sich aber nicht gegen die Gegenwart zu sperren. Es mag sein, dass der „Jelly Roll Blues“ oder der „Georgia Swing“ längst mit einer gehörigen Patina behaftet sind, aber mit Spinnweben überzogen oder verstaubt sind sie deswegen nicht. Dafür präsentieren sie die sechs Niederländer viel zu lebendig.

Nicht eine Sekunde hat man im Hinterkopf den Klang verkratzter Schellackplatten, auf denen diese Musik ja einst veröffentlicht wurde. Nein, die Art und Weise, wie die Dutch Swing College Band mit ihrem musikalischen Erbe umgeht, es pflegt und präsentiert, hat überhaupt nichts Gestriges an sich. Diese Stücke gehören nicht ins Museum, sondern auf die Bühne, zum Beispiel die des Audi Forums, aufpoliert, in makellosem Sound präsentiert. Es geht nicht um die Erfindung eines neuen Stils oder um musikalische Experimente, es geht um gute musikalische Unterhaltung mit allseits Bekanntem auf hohem Niveau. Deswegen kommen die Menschen. Genau wie bei den Stones.