Dusko Goykovich | 19.11.2001

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Eigentlich hat der Weltenbummler im Laufe einer über 50-jährigen Karriere schon fast jede Bühne der Jazzwelt betreten. Aber immer wenn Dusko Goykovich in den Keller unter der Neuburger Hofapotheke kommt, dann scheint sein Spiel eine ganz besondere Form von Vertrautheit zu atmen, sein zärtlicher Trompetenhauch noch eine Nuance intimer durch das Gewölbe zu schweben.

Mit seiner aktuellen Band (Kirk Lightsey, Piano, Tony Lakatos, Tenorsax, Dejan Terzic, Drums, und Vinzenz Kummer, Bass) kitzelt er lässig am Gemüt seiner Fans. Wohltuend lakonisch, ohne den ganz großen, den absoluten Anspruch. Zu diskutieren, ob Jazz nun eine unterhaltende Kunstform oder kunstvolle Unterhaltung ist, scheint gerade angesichts jenes Konzerts, mit dem Goykovich im Kreis seiner Neuburger Freunde, die ihn auch in schlechteren Zeiten nie vergaßen, jetzt seinen 70. Geburtstag feierte, überflüssiger denn je.

Der gebürtige Montenegriner kultivierte seine Profession schon immer aus einer tiefen inneren Überzeugung heraus. Doch während der noch bis vor kurzem ob solcher stoischer Konsequenz in den Ruch geriet, sturköpfig oder gar altmodisch zu sein, akzeptiert, achtet, ja verehrt ihn das Publikum inzwischen als einen der letzten Matadore des echten Bebop, der aufgrund seines klassischen slawischen Touchs sogar einen eigenen Stil prägte, der seinen Namen trägt.

Nach triumphalen Erfolgen in den USA mit Woody Herman in den 60ern ist Goykovich heute selbst ein Star. Einer, der den Menschen ohne falsches Pathos das Gefühl einer besseren Zeit zurückbringt, ihnen eine Musik schenkt, die junge Jazzer zwar mindestens ebenso technisch perfekt nachspielen können, der aber nur ein unmittelbarer Zeitzeuge diesen originären Kick angedeihen lassen kann. Obwohl der Trompeter seit 1968 in München wohnt und seit einigen Jahren sogar die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, fühlt sich Goykovich im Herzen immer noch als Kind des Balkans, das in Deutschland Asyl fand – nicht aus politischen Gründen, sondern weil ihn die Symptome des Jazz-Virus ehedem machtvoll gen Westen drängten.

Für die Freiheit, das zu tun, wonach es ihn schon ihn als jungen Burschen mit aller Macht drängte, rang sich der jung gebliebene Jubilar, den viele beim ersten Augenschein mindestens 20 Jahre jünger schätzen würden, enorme Opfer ab. Im Jugoslawien der 50er hätte Dusko nämlich kaum seinen ganz großen Traum verwirklichen können: „ Es war praktisch als lebensgefährlich, Jazz zu spielen. Für die Kommunisten war es etwas, das sich gegen die Regierung, gegen das ganze System richtete. Wir hätten reden, denken und spielen sollen, wie es Karl Marx verlangt hatte. Doch bei Marx stand nie etwas über Ellington.“

So nützte Goykovich auch seine erste Auslands-Einladung nach Frankfurt zur Flucht. Endlich durfte er Jazz nicht nur bei „Voice of America“ nachempfinden, sondern ihn dort erleben zu können, wo er tatsächlich passierte. In Deutschland schien zu jener Zeit alles möglich. Fabelwesen, die er zuvor nur aus dem Radio gekannt hatte, nahmen plötzlich Gestalt an und spielten mit ihm: Louis Armstrong, Lionel Hampton oder Dizzy Gillespie.

Mit Chet Baker verband ihn eine lange, dauerhafte Freundschaft, Miles Davis traf er das erste Mal 1956 im Münchner „Club 15“ und später immer wieder. Max Greger engagierte ihn für sein Tanzorchester, Kurt Edelhagen warb ihn ab. Zusammen mit Albert Mangelsdorff fuhr Goykovich 1958 zum „Newport Festival“ und spielt mit Sonny Rollins oder Stan Getz. Selbst das Jugend-Zentralorgan „Bravo“ entdeckte den „Wundertrompeter vom Balkan“ in den frühen 60ern auf seiner unermüdlichen Suche nach Trends und widmete ihm die Überschrift „Dusko ist dufte!“.

Er, der sich im Gegensatz zu den meisten anderen Kollegen seiner Generation sowieso nie in kryptischen Analysen über die himmelschreiende Ungerechtigkeiten dieses Genres verstieg, speichert mit 70 ausschließlich die positiven Aspekte. In Japan verkauft der Trompeter mit dem ungebrochen schönen, samtig-klaren, warmen Ton genauso viele Platten, wie die so genannten Big Names und nimmt jedes Jahr eine eigene CD für den heimischen Markt auf. „Es gibt sogar einen Club, in dem zwar regelmäßig Leute wie Wynton Marsalis auftreten, aber nur Fotos von mir hängen. Die Japaner lieben mich!“

Eines hat der ungeahnte Nippon-Boom bei dem vielleicht wichtigsten Schattenmann des Jazz tatsächlich bewirkt: „Ich fühle mich einfach großartig, ganz und gar nicht, wie man sich als 70-Jähriger vielleicht fühlen sollte. Ich habe die Möglichkeit, meine Musik zu spielen, vor allem, weil die schwierigen Dinge jetzt wesentlich leichter fallen. Was will ich mehr?“