Über die Schreibweise seines Namens konnten sich bis zuletzt nicht einmal die Experten einigen. Auf den meisten der fast 200 Plattencover stand „Goykovich“, eine anglisierte Idee seines Münchner Labelbosses Matthias Winkelmann, weil das zumindest die zahlreichen Fans außerhalb Europas halbwegs unfallfrei aussprechen konnten. Montenegrinisch korrekt wäre freilich „Gojković“ gewesen, ein slawischer Zungenbrecher. Und da gibt es diesen einen Satz aus dem Mund des Protagonisten, der die ganze Tragödie einer verpassten Weltkarriere auf den Punkt bringt: „Ich wollte immer meinen Namen behalten, eine Änderung kam für mich nie in Frage. Wenn ich Jimmy Palmer geheißen hätte, dann wäre mein Leben garantiert völlig anders verlaufen. So jedoch bin ich in Deutschland geblieben. Aber das war sogar die bessere Option!“
Dusko – nennen wir ihn aus Respekt vor seinem Wunsch: Gojković – wurde dennoch gefeiert; als einer, der auf der Trompete und dem Flügelhorn so weiche und vollendete Linien wie kaum ein anderer blasen konnte, nicht nur im Jazz. Er fesselte Hörer in Tokio, New York, Paris und München, aber auch über Jahrzehnte in Jazz-Hochburgen wie dem Birdland Neuburg oder bei „Jazz Isch“ in Mindelheim und beeindruckte prominente Mitstreiter, die im Gegensatz zu ihm über einen gewinnbringenderen Namen verfügten. Der berühmte Kollege Dizzy Gillespie etwa nannte ihn ehrfürchtig „a hell of a trumpet player“, der noch einen Tick berühmtere Miles Davis, dem er 1956 im Münchner „Club 15“ begegnet war, betrachtete ihn als ebenbürtig, während ihn zu dem schwierig-genialen Chet Baker eine lebenslange Freundschaft verband. Dusko Gojković war mehr als eine regionale Größe oder ein nationales Phänomen. Trotz fehlender Donnerhall-Popularität gelang es ihm, einen Stil im Jazz zu etablieren, der bis heute untrennbar mit seinem Namen verbunden ist. Dieses langsame Herantasten an ein Thema, dieses unnachahmliche Hineinschlüpfen in die Melodie erhoben ihn zum Meister des entspannten Tons, zu einem Architekten für harmonische Traumschlösser. Ein Solo degenerierte bei ihm nie zum Schneller-höher-weiter mit inszeniertem Kraftaufwand, sondern zu einem anmutigen, warmen, mitunter melancholischen Gemälde aus Klangfarben. Und niemand, der je „In The Sign Of Lybra“ gehört hat, wird dem bescheidenen Trompeter den Titel als König der Ballade streitig machen.
Gojković war der bekannteste Unbekannte des Jazz. Ein Multitalent mit einer erstaunlich intuitiven Auffassung von Swing, Blues und Bebop, den meisten dieser Giganten der Zunft sogar weit voraus. Aber lag es wirklich nur an seiner im amerikanisierten Jazz hinderlichen europäischen Herkunft, dass man seinen Namen bis heute noch erklären muss? Er kokettierte damit, riss Witzchen, etwa wenn er bei Japan-Visiten erfuhr, wie es sich anfühlt, tatsächlich als Weltstar behandelt zu werden. „Ich verkaufe dort genauso viele Platten, wie die Big Names, sie nehmen jedes Jahr eine eigene CD mit mir nur für den japanischen Markt auf, es gibt einen Club, in dem nur Fotos von mir hängen“, schwärmte er 2001. „Die Japaner lieben mich, ich bin dort ein Superstar wie Michael Jackson.“ Um gleich darauf mit dem Lächeln den ewigen Charmeurs hinzuzufügen: „Just kidding!“ Aber auch andere dachten so. Legenden wie Miles Davis, Sonny Rollins, Stan Getz, Gary Burton, Dexter Gordon oder Gerry Mulligan rissen sich um ihn, Count Basie und Duke Ellington wollten ihn unbedingt in ihrer Band, Woody Herman, Max Greger und Kurt Edelhagen bekamen ihn schließlich. Doch das Balkan-Kind Dušan Gojković, geboren 1931 im bosnischen Jajce, blieb sich und seinem inneren Kompass stets treu. Dieser hatte ihn nach seiner Flucht aus Jugoslawien zunächst nach Deutschland, dann in die USA und nach fünf brutal harten Jahren wieder in die Bundesrepublik und dort von Köln schließlich nach München gelotst. Und hier durfte er seine ureigene Rezeptur aus den Melismen und Rhythmen seiner Heimat und den Jazz-Idiom entwickeln und zum ersten „Balkan-Jazz“-Trend ausformen. Dennoch gelang es Gojkovic, sich immer wieder neu zu erfinden, mal mit Soul, mal mit brasilianischer Samba, jederzeit nonchalant swingend und mit dieser unglaublichen Eleganz.
Vielleicht traf Dusko ja auch die richtige Entscheidung, weil er sich hierzulande ungestört zum Dauerbrenner entwickeln konnte. Noch im hohen Alter blies der Mann, der ohnehin immer mindestens 20 Jahre jünger aussah als er war, wie ein junger Gott. Lässig legte er die vermutlich längste Karriere aller Jazz-Trompeter hin, was bei einem sportlichen Instrument, das Lungenvolumen und Lippenspannung erfordert, sowieso einem Jazzwunder gleichkam. Bis Anfang 2020 absolvierte Dusko Gojković noch Konzerte, dann erlahmten seine Kräfte. Am Mittwochabend ist einer der größten Jazztrompeter aller Zeiten mit 91 Jahren in einer Pflegeeinrichtung in München gestorben.