Im Eingangsbereich des Birdland-Jazzclubs hängen zwei Fotos. Das eine zeigt Wallace Roney Sr., den großen Trompeter aus New York, der 2018 in Neuburg gastierte und 2020 verstarb. Das andere die unvergessliche Pianisten Geri Allen, die 2017 kurz vor ihrem Tod vor Ort ein umjubeltes Konzert gab. Und nun steht beider Sohn Wallace Roney Jr., ebenfalls Trompeter wie sein Vater, auf der Bühne unter der ehemaligen Hofapotheke und gibt als Vertreter der „Next Generation“ so richtig Vollgas.
Schlagzeuger Joris Dudli, der mit Art Farmer, Jimmy Heath, Benny Golson und Joe Zawinul spielte und über immense Erfahrung verfügt, hat für den jungen Gast von der Ostküste – und für sich selbst natürlich auch – eine junge Band zusammengestellt und sorgt damit für gehörig Wirbel in der Szene. Außer Dudli ist keiner älter als dreißig, alle sind hochtalentiert, hochmotiviert und hochversiert. In Roney’s Spiel begegnet man natürlich seinem Vater und damit auch Freddie Hubbard, der so viele Trompeter maßgeblich beeinflusst hat. Roney ist ein Mann für Balladen ebenso wie für knackige funky Nummern und sorgt für – wenn er erst mal so richtig loslegt – gehörig Druck im Kessel. Ihm gleichberechtigt gegenüber steht Gregor Storf, das Dreifach-Talent, der – eigentlich studierter Schlagzeuger – in diesem Ensemble für das Tenorsaxofon und das Klavier zuständig ist. Ständig flitzt er zwischen den Instrumenten hin und her, stellt als Bläser mit Roney zusammen die Stücke vor, begleitet ihn dann am Klavier, soliert selber an den Tasten und den Klappen. Eigentlich erledigt er hier einen Job, für den man normalerweise zwei Leute braucht. Und das auch noch in erstklassiger Manier.
Dudli, der in dieser Band irgendwie selber noch einmal zum Twen zu werden scheint, hat die beiden Sets auf drei Säulen gestellt. Der Abend beginnt mit „One For The Tradition“ und Bobby Hutcherson’s „West 22nd Street“, also mit Modern Jazz in weitestem Sinne, dann gibt es den ein oder anderen Standard, wobei Dudli die Gesangsparts übernimmt, was, wenn man ehrlich ist, eher die zweitbeste Lösung ist. Der Löwenanteil des Programms beschäftigt sich mit dem Soul Jazz und dessen Galerie berühmter Trompeter mit Lee Morgan, Freddie Hubbard, Nat Adderly und nicht zuletzt Wayne Roney Sr.. Dessen Sohn reiht sich wie selbstverständlich ein, gehört jetzt schon mit dazu.
Dudli, der dem rhythmusbetonten, erdverbundenen Soul Jazz ja keineswegs abgeneigt ist, wie man auch von Birdland-Gastspielen mit Vince Herring weiß, ist voll in seinem Element. Gleiches gilt auch für Michael Acker am Kontrabass. Er glänzt mit drei wunderschönen Soli, ist aber fast noch wichtiger als Verantwortlicher für den Puls in der Band, für das, was die Zuhörerschaft im fast ausverkauften Birdland veranlasst, mit den Füßen zu wippen, rhythmisch mit dem Kopf zu nicken und den gesamten Körper auf den Groove-Modus umzustellen. Diese Band ist die ideale Basis für einen wie Roney Jr., von dem man sicher – hoffentlich auch im Birdland – noch viel hören wird. Geri Allen und Wallace Roney Sr., die vielleicht sogar von höherer Warte aus ihren Sohn und die „Next Generation“ beobachten, wären mit Sicherheit stolz gewesen.