Don Menza Quartet | 28.05.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Die Zeiger der Uhr rü­cken bereits bedenklich auf Mitternacht vor, als der letzte Ton im Neuburger Bird­land Jazzclub verklungen ist. Am Ende hätten der amerikanische Tenorsa­xofonist Don Menza und sein Quintet fast noch die magische Dreistundenmar­ke geknackt. Nicht schlecht für einen 86-Jäh­rigen.

Menza ist an diesem Abend sichtlich gut drauf, fühlt sich pudelwohl in der Umgebung und mit dieser Band, geht mit Vollgas in seine Soli und verströmt gute Laune, Witz und eine gehörige Menge Energie. Zwischendurch erzählt er Anekdoten, gibt einem jugendlichen Nachwuchsmusiker im Publikum Tipps aus erster Hand, von Kollege zu Kollege sozusagen, und feuert aus seinem Instru­ment ein ums andere Mal Salven ab, die sich in der Tat gewaschen haben.

Es geht gleich ziemlich stürmisch los mit „Voyage“ aus der Feder Kenny Ba­ron’s – der, welch ein Zufall, am 12. No­vember höchstselbst im Birdland auftre­ten wird – dann folgt „Sonny Afternoon“ von Menza selbst. „Ich verbrachte mal einen ganzen Nachmittag mit Sonny Rollins“, erzählt er. „Das waren ein paar sehr entspannte Stunden.“ Und genau so klingt das Stück. Wunderschön relaxed, unterlegt mit einem herrlichen laid back Groove. Die wunderbar weiche Version der Ballade „Memories Of You“, das cool auf Calypso getrimmte „Sonny Daze“ von Sonny Rollins, die Soloim­provisation über den Klassiker „Body And Soul“. – Ja, es ist ein an Höhepunk­ten reicher Abend und einiges ist fast schon spektakulär.

Zum Beispiel das, was Bernd Reiter in der schier entfesselten Version von Henri Mancini’s „Sharade“ mit seinen Becken und Trommeln veranstaltet. Mini Schulz greift bei seinen solistischen Einsätzen am Kontrabass immer wieder zum Bo­gen, was in dieser Häufigkeit alles ande­re als gang und gäbe ist, Martin Sasse ist einmal mehr ein mit allen Wassern ge­waschener Teamspieler und Solist an den schwarzen und weißen Tasten und Joe Magnarelli (Trompete, Flügelhorn) bril­liert nicht nur vor allem bei den Balla­den, sondern ist auch der ideale Partner Menza’s, wenn es gilt, Songthemen mit Schmackes in den Raum zu wuchten. Bebop, Swing, Jazz eben, das sei sein Leben, sagt Menza, und ihm auf jeden Fall lieber als zum Beispiel Heavy Me­tal. Nachdem sein Sohn Nick zehn Jahre lang bei Megadeth gespielt habe – was tatsächlich stimmt – kenne er den Unter­schied sehr wohl.

Der liegt auch in der Wahrnehmung. Ein Rock- oder Popmusiker mit stolzen 86 Jahren? Das muss nicht peinlich sein, aber die Gefahr, dass es peinlich ist, be­steht durchaus. Besonders dann, wenn er versucht, gegen die Zeichen der Zeit auf Teufel komm raus als Berufsjugendlicher durchzugehen. Ähnlich wie bei Blues­künstlern zieht man vor Jazzmusikern ab einem gewissen Alter in der Regel den Hut, würdigt deren Lebensweg, schätzt deren Erfahrung, deren oftmals nach wie vor vorhandene Neugier bei gleichzeiti­ger Pflege des Erbes. Don Menza ist ein Paradebeispiel dafür. So lange es ihm ge­sundheitlich möglich ist, wird dieses Energiebündel – darauf kann man Wet­ten abschließen – auf irgendeiner Bühne stehen, Gas geben und der Jazzgemeinde musikalisch etwas zu sagen haben. Bleibt zu hoffen, dass diese Bühne noch möglichst oft die des Birdland Jazzclubs in Neuburg sein möge.