Es gibt wohl keinen Gitarristen des Gypsy Swing, der Django Reinhardt, den Stammvater eines kompletten Genres und des wichtigsten eigenständigen Beitrags Europas zum Jazz, nicht als entscheidenden Einfluss auf seine eigene Spielweise nennen würde. Und weil er, der zusammen mit Stephane Grapelli und dem Quintette Du Hot Club de France Musikgeschichte geschrieben hat, eine so entscheidende Bedeutung hat, gibt es im Audi Forum seit ein paar Jahren die „Django Reinhardt Night“.
In der aktuellen Ausgabe des Jahres 2018 sind an diesem Abend, an dem das Audi Forum erwartungsgemäß bis auf den letzten Platz besetzt ist, zwei Ensembles zu hören. Das eine ist das Gismo Graf Trio mit Gismo Graf an der Solo- und Joschi Graf an der Rhythmusgitarre, Joel Locher am Kontrabass und als Gast mit dem Akkordeonvirtuosen Ludovic Beier aus Paris, das andere wird geleitet von Tcha Limberger (Geige, Gesang) und besteht aus dem Rhythmus-gitarristen Dave Kelbie und dem Bassisten Sebastien Giradot sowie speziell beim Ingolstadt-Termin aus Mozes Rosenberg an der Sologitarre.
Über die beiden Leadgitarristen viele Worte zu verlieren, erübrigt sich fast. Beide beeindrucken durch ihre enorme Fingerfertigkeit, ihre scheinbar mal eben so aus dem Ärmel geschüttelte Rasanz. Ihre Technik ist atemberaubend, ihre Vielseitigkeit ebenso. Wenn man sie sieht und auch an all ihre Kollegen des Gypsy Swing denkt, verwundert es nicht, dass immer wieder die Gitarristen dieses Genre für sich beanspruchen.
An diesem Abend freilich haben sie immense Konkurrenz. In Person von Lu-dovic Beier beispielsweise. Der ist auf dem Akkordeon ein echtes Ass. Seine üppig verzierten Melodien, seine improvisierten Girlanden, seine opulent ausgestatteten Pirouetten erregen immer wieder höchste Aufmerksamkeit. Das tun auch die Stücke, die die Band für diesen Abend ausgewählt hat. Nicht nur Reinhardt’s „Song D’Automne“ oder sein „Place De Broucere“ sind zu hören, sondern auch Sting’s „Englishman In New York“ oder Edvard Grieg’s „Norwegischer Tanz No. 2“. Nummern wie diese im Programm machen eben den kleinen Unterschied aus.
Tcha Limberger, der sich zwischen Balkanmusik, ungarischer Tradition und Gypsy Swing bewegt, ist nicht nur ein vorzüglicher Geiger und Sänger. Seine Versionen von „Ombre Et Lumiere“ und „Viper’s Dream“ verraten Seele und Leidenschaft und werden so zu Höhepunkten des Abends. Und außerdem ist er ein äußerst geschickter, humorvoller Entertainer, was natürlich bestens ankommt. Ob Django Reinhardt’s Geist anlässlich des Konzerts zu seinen Ehren durch das Audi Forum schwebt, ist zwar nicht erwiesen, darf aber durchaus angenommen werden. Der „Hot Club de France“ also quasi zu Gast im „Musee d’Automobiles“? Ja, irgendwie schon. – Was für ein schönes, stimmiges Ereignis. Dieser jährlich wiederkehrende Termin im Ingolstädter Konzertjahr ist längst unverzichtbar geworden. Und das völlig zu Recht.