Romeo Franz & Ensemble feat. Joe Bawelino | 14.11.2024
Ob man sie Gypsy-Swing, Sinti-Jazz oder Jazz Manouche nennt, ist im Grunde egal. Die Musik der größten europäischen Minderheitengruppe ist nun mal der einzige Zweig, den Europa dem Genre des Jazz hinzugefügt hat. Bis heute berufen sich Musiker, die sich mit ihm beschäftigen, auf das Erbe des legendären Quintette de Hot Club de France und das ihrer Anführer, des Gitarristen Django Reinhardt und des Geigers Stéphane Grapelli. Sie sind das Maß aller Dinge, der Anfangs- und der Zielpunkt all der vielen Virtuosen, die das Subgenre im Laufe der Jahre hervorgebracht hat, auch jener, die in der Tradition und in der Moderne gleichermaßen zuhause sind. Ohne Reinhardt und Grapelli geht nur wenig bis gar nichts. Django und Stéphane über alles!“ heißt das Credo.
Noch dazu wenn, wenn wie beim Konzert im Audi Forum, das den Titel „Django Reinhardt-Night“ ja nicht umsonst trägt, mit Romeo Franz und seinem Sohn Sunny an den Violinen, den beiden Gitarristen Joe Bawelino und Jermaine Reinhardt und dem Kontrabassisten Manolo Diaz eine für eine Hommage an die beiden Säulenheiligen geradezu prädestinierte Band in erweiterter klassischer Besetzung auf der Bühne steht. Ausnahmslos hervorragende Musiker, ausschließlich Saiteninstrumente, ausschließlich Stücke, die gar nicht mal alle aus Reinhardts Feder stammen müssen, um doch seine ureigene musikalische Sprache zu sprechen. Sein „Troublant Bolero“, sein „Minor Swing“, sein „Nuages“, dazu George Gershwin, Charlie Parker und Schnuckenack Reinhardt und „All Of Me“ und „Black Orpheus“ aus der Standard-Schublade – und fertig ist ein Programm, das zwei Sets mit Gehalt füllt und auf dessen Basis die fünf Herren, die es interpretieren, zeigen können, wozu sie fähig sind.
Da ist Romeo Franz als Leader, da ist sein Sohn Sunny, das Riesentalent, das mit der Kraft der Jugend zu Werke geht, dem Grapelli über die Schulter blickt, ihn beobachtet und wohlgefällig nickt. Da sind die beiden Gitarristen, deren Spielweisen unterschiedlicher kaum sein könnten. Bawelino, der erfahrene Fuchs, spielt für einen Sinti-Gitarristen geradezu waghalsig, zerrt in seinen Soli immer wieder am vorgegebenen Korsett, wird mit zunehmender Spieldauer immer noch übermütiger und extravaganter und grinst bei jedem gelungenen Kabinett-stückchen spitzbübisch in Richtung seiner Kollegen, während Jermaine Reinhardt, ein Nachkomme des legendären Django, die rasante und flüssige Variante wählt, die auch fast alle seiner Genre-Kollegen so meisterhaft beherrschen. Trotzdem hat das, was die vier gleichberechtigten Solisten auf der unerschütterlichen Basis, die der Kontrabass ihnen bietet, weder mit einer Leistungsschau noch mit einem Geschwindigkeitswett-bewerb zu tun. Nein, hier treffen fünf Musiker aufeinander, von denen jeder weiß, was er kann und folglich weder sich noch sonst irgend jemandem etwas beweisen muss.
Und alle in dieser Drei-Generationen-Band haben Spaß an dem was sie tun, egal, ob sie wie Bawelino 78 oder wie Sunny Franz gerade mal 24 sind. Das Erbe wird weitergetragen, was wichtig ist, wie Romeo Franz sagt. Gerade in einer Zeit, in der die Gefahr besteht, dass viele kulturelle Inhalte verloren gehen, weil sich immer weniger Menschen für sie begeistern oder interessieren.