Dino Saluzzi Trio | 30.05.2004

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

„Irgendwer muss ja irgendwann damit anfangen aufzuhören mit dem Gegeneinander. Nicht immer nur mit den Muskeln spielen, sondern mit dem Herzen!“ Ganz zum Schluss seines Konzerts im Birdland Jazzclub bekannte sich ein sichtlich bewegter Dino Saluzzi auch verbal noch einmal zu den leisen Tönen. Deren sanfte Melancholie hatte das Publikum im Jazzkeller zuvor zwei Stunden lang in einen wahren Zaubergarten von die Seele berührender Schönheit entführt.

Dino Saluzzi ist ein ganz besonders einfühlsamer Erneuerer des Tango, dieses traurigen Gedankens, den man tanzen kann. Mit seinem Trio sorgte der weltbekannte Argentinier für ein Konzert von atemberaubender melancholischer Schönheit und seelentiefer Zauberkraft. Hauchfein gesponnene Fäden kommunikativer Energie verbinden sich auf der Bühne des einmal mehr restlos ausverkauften Hofapothekenkellers zu einem interaktiven Gespinst von geradezu magischer Sogkraft. Dino Saluzzi ist ein Meister der Reduktion, sein Bandoneon erzählt in wenigen Andeutungen Geschichten, in denen alle Passion des Lebens sich entflicht, wie wenn Hemingway endlich gelernt hätte, was einen Mann von einem Macho unterscheidet. Atem, Pausen, Ahnungen durchschwirren das Gewölbe, Seufzer wechseln mit Lust, ein Hauch von Trauer lässt wie von leisem Kuss das Herz erschauern, Leben bricht sich Bahn in aller Ambivalenz zwischen zarter Zerbrechlichkeit und hoffnungsvoller Entschlossenheit. Wie symbolisch wirkt die Rollenverteilung zwischen Bandoneon, Gitarre und Bass, Dino Saluzzi, José Mara Saluzi und Palle Danielsson. Letzterem misst Dino Saluzzi einen gleichwertigen Anteil an seinem Tango Libre zu, der die Grenzen der einschlägigen Tradition längst sprengt. Da wird die weltumspannende Macht der Musik deutlich, wo Südamerika und der hohe Norden Europas sich zusammenfinden zu gemeinsamer Sprache, die geduldig, sanft und präzise zugleich das Lot in den Spiegel der Seele senkt. Ein Bass, der mit warmem Ton und weich singendem Klangbild den Harmonien auf den Grund geht, eine Gitarre, die ihre sparsam reduzierten Soli mit Sorgfalt in der Tonbildung und diffiziler Raffinesse in der Linienführung kultiviert, ein Bandoneon, das wirkt wie das Werkzeug eines Glasbläsers, der hauchzarte Blüten formt aus der Glut der Leidenschaft: Keine Musik für’s Nebenher, aber es ist ohnehin an der Zeit, dass wir wieder lernen, auf die Stille zu hören.