Ravel und Jazz? Geht das? Na, mindestens so gut wie Bach, Beethoven, Verdi und Wagner! Die hat der Freiburger Bassist Dieter Ilg mit seinem Trio nämlich schon sehr erfolgreich der Improvisationskultur des Jazz einverleibt.
Nun also nach Barock, Wiener Klassik, Hoch- und Spätromantik auch einer der wichtigsten Vertreter des Impressionismus: Maurice Ravel! Der ist jenseits des Spezialistentums vor allem durch den berühmten „Bolero“ bekannt, den wiederum das Eistanzpaar Jayne Torvill und Christopher Dean mit seinem fulminanten Olympiafinale 1984 im kollektiven Gedächtnis einer ganzen Generation unauslöschlich verankerte.
„Ravels Musik ist uns wie auf den Leib geschneidert“, bekennt der schon seit über zwanzig Jahren Grenzen abschreitende Bassist Dieter Ilg, der mit dem Pianisten Rainer Böhm und dem Schlagzeuger Patrice Héral ein über viele Jahre stabil kreatives Traumtrio bildet. Wunderbar passen die drei zusammen, der wuchtig klare Groove und der sanglich sonore Klang von Ilgs so beflügelndem wie erdendem Bass, der technisch erhabene, zugleich feingliedrig fantasievolle Strudel von Böhms Piano und der farbenreich pulsierende Detailreichtum von Hérals Drumming.
Letzterer war trotz Bahnstreik – „in Frankreich!“, wie zu vermerken war – eigens angereist, am Schlagzeug wahrlich kein Leisetreter, jedoch auch bei höheren Dezibelwerten stets wohldosiert und nie auf Kosten des Gesamtklangs. Atemberaubend die Steigerung des „Bolero“-Intros – natürlich durfte der nicht fehlen, eine nicht nur rhythmische Steilvorlage für ein Jazztrio – aus der mucksmäuschenleisen Stille bis in die volltönend voluminöse Steigerung, die ja auch Ravels Original auszeichnet. Aber es gibt ja nicht nur den Bolero: Der ganze klangliche Reichtum der Farben und Formen aus der kompositorischen Palette des impressionistischen Innovators war im Birdland zu erleben, unter anderem im kaum mehr an klassische Spielweisen gemahnenden, rhythmisch auftrumpfenden „Trio“, der seligen „Pavane pour une infante défunte“, den eleganten Walzern II und VI, einem bewegten „Allego assai“, einer feinsinnigen „Sonatine“ und dem traumhaften Spaziergang durch „Le Jardin féerique“.
Das war sehr speziell und forderte das Ohr, fand indes im überregional rappelvoll besuchten Neuburger Birdland ein überaus begeistertes Publikum. Zu Recht, gelingt doch der Bogen von der Interpretation des Originals zur Neuschöpfung eigenständiger Musik selten in so glücklich belebender Form.