Dieter Ilg Trio „B-A-C-H“ | 11.10.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Die „72. Neuburger Barockkonzerte“ machen einen Ausflug ins Birdland, Johann Sebastian Bach goes Jazz , die Welt steht Kopf und die Verantwortung dafür tragen einer der führenden Jazzbassisten Europas, nämlich Dieter Ilg, und sein Trio. Nach Verdi, Wagner und Beethoven nimmt Ilg sich mit dem Projekt „B-A-C-H“ nun also der Werke des Thomaskantors zu Leipzig an.

Die Verbindung Bach-Jazz ist nicht neu, aber doch immer wieder spannend. Immerhin hat Bach mit der „Kunst der Fuge“ ein mathematisch exakt berechnetes und bis in sämtliche Details genauestens festgelegtes Werk geschaffen, andererseits ist es der Jazz, der sich in seiner freiesten Form die komplette Auflösung melodischer, harmonischer und metrischer Strukturen leistet. Diese beiden Extreme zueinander in Verbindung zu setzen, übt eine ungeheure Faszination aus. Besonders dann, wenn wie in diesem Fall Ilg, Rainer Böhm am Piano und Patrice Héral am Schlagzeug sich nicht isoliert mit ihnen beschäftigen oder sie lediglich nebeneinander setzen, sondern erlauben, dass sie sich aufeinander zubewegen.

Natürlich hat auch Ilg ein paar von Bachs „Hits“ mit im Programm, besonders spannend freilich wird die Sache bei den Goldberg-Variationen, deren Kennzeichnung mit Großbuchstaben bei richtiger Anordnung – wie könnte es anders sein – „B-A-C-H“ ergibt. Was, wenn nicht wie ursprünglich vorgesehen das Bassthema das verbindende Element wäre, sondern stattdessen der Rest, wenn also hier sozusagen die Variation über die Variation stattfände? „Dann steht quasi die Welt Kopf“, sagt Ilg, geht das Wagnis ein und riskiert damit eine in höchstem Maße originelle Auseinandersetzung mit der klassischen Vorlage.

Und wo bleibt der Swing, dessen Vorhandensein einst Duke Ellington als für den Jazz unabdingbar eingefordert hatte? Ilgs Trio findet immer wieder die passenden Freiräume und Schlupflöcher in Bachs Werk, in denen es sich relaxt groovend improvisatorisch austoben kann. Im Grunde müsste man bei all dem, was man an diesem Abend im Birdland mit enormem Genuss hört, zwei Komponisten nennen. Selbstverständlich zuerst Bach, aber eben auch Ilg, der die Vorlagen nicht nur „verjazzt“, sondern sie durch seine Interpretation in ein individuell geschneidertes Gewand steckt, das ihnen ausgezeichnet steht.

Klassik meets Jazz? Eine Wiederbelebung des Third Stream? – Viel mehr als das. Bei Ilg und seiner Band treffen beiden Genres sich nicht nur, sie gehen auch ein Stück miteinander, tauschen sich aus, flirten und umarmen sich, verstehen sich blendend. Schön, den drei Herren bei ihrem Tun zuzusehen und dieser herrlichen Musik zu lauschen. Hier bekommt das Schlagwort „Crossover“ eine ganz neue Bedeutung.