Man kann es nicht oft genug sagen: Nicht so sehr auf das Was kommt es an im Jazz, sondern vielmehr auf das Wie. Zum improvisatorischen Erkundungsflug eignet sich eigentlich so ziemlich jedes einigermaßen substanzhaltige musikalische Thema. Das Dick de Graaf Soundroots Quintet widmete sich im Birdland Jazzclub mit Herz und Hingabe Motiven von Franz Schubert.
Warum der Wiener Klassiker, dessen Kompositionen kaum Eindringlicheres bieten könnten, im Jazz bislang kaum rezipiert wurde, ist angesichts der häufigen Bachadaptionen, auch angesichts der vielfältigen jazzigen Auseinandersetzung mit dem Impressionismus und der mannigfaltigen Bezüge zwischen Jazz und klassischer Moderne nicht so recht erklärlich. Wohlgemerkt jedoch: Es geht um Jazz, um Grenzüberschreitung und das Ausloten des musikalisch Möglichen. Mit den romantischen Zügen in Schuberts Musik einher geht im Jazz auch der Primat des Ausdrucks. Dick de Graafs „Shaking Hands“ zwischen Jazz, Klassik und Moderne beschränken sich daher nicht auf freundlich distanziert verjazzte Schubertiaden – kein „Play Schubert“ also. Im Gegenteil, der „Cultural Background“ soll erforscht werden, aus dem das musikalische Verständnis der Gegenwart sich nährt. Um die „Soundroots“ geht es dem Jazzsaxophonisten de Graaf und seinen Kombattanten Andrea Pozza am Piano, Stephan Kurmann am Bass, Norbert Pfammatter am Schlagzeug und Daniel Pezzotti am Cello. Eine kompakte Band mit der reichlich ungewöhnlichen Frontline aus Saxophon und Cello zelebriert die Seelenverwandtschaft der Musik in kraftvollem modernem Jazz, der vital und heftig bewegt nach der blauen Blume der Gegenwart sucht. Die wächst, so viel ist sicher, ausdrücklich nicht in den Schubladen musikalischer Vorurteile. Gegen die musste sich schon Schubert sein kurzes Leben lang wehren. Unter den „Dutch Skies“ jedenfalls verwundert es kaum, wie sehr sich die Klangfarben von Saxophon und Cello ergänzen in komplementärer Wahlverwandtschaft. Reichliche improvisatorische Höhenflüge verorten die Klassik absolut in der Gegenwart und es erscheint nur folgerichtig, wenn Themen aus einem Schubert’schen Streichquintet verarbeitet werden zu einer Hommage an Elvin Jones, einen der innovativsten Schlagzeuger des modernen Jazz.