The Bossa Nova Legends | 05.02.2004

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

(Audi Forum Ingolstadt)

Zu Beginn der 50er Jahre entstand in Brasilien durch die Vermischung von Samba und Cool Jazz ein neuer Musikstil, der Bossa Nova. Anfang der 60er kam es dann durch brasilienbegeisterte Jazzer wie den Gitarristen Charlie Byrd und den Saxophonisten Stan Getz zu einer raschen Verbreitung der „Neuen Sache“. Bossa Nova Hits gingen alsbald um den ganzen Erdball. Mit „The Bossa Nova Legends“ konnten nun die zahlreichen ZuhörerInnen im ausverkauften Audiforum in Ingolstadt Zeuge der ungebrochenen und mitreißenden Vitalität der damals angestoßenen Entwicklung werden.

Wann hat man schon die Gelegenheit, den Mann zu sehen, live, ohne Netz und doppelten Boden, der einen der allzeit größten Megahits der Popmusik auf den Weg ins Universum des kollektiven musikalischen Weltgedächtnisses schickte? „The Girl from Ipanema“ – ein Song, den Jeder kennt, der je vom Strand am Fuß des Zuckerhutes träumte, und wer hätte das nicht schon irgendwann in seinem Leben getan? Nun also, des Rätsels Lösung: Es war weder Astrud Gilberto, die den Song als Erste aufnahm, noch gar Stan Getz, weder Frank Sinatra noch sonst irgendeiner derer, die für die inzwischen rund 2000 Aufnahmen sorgten, die der Song von Antonio Carlos Jobim bisher erfuhr. Auch Johnny Alf, der im Programm angekündigte Vater des Bossa Nova kann diese Ehre nicht für sich verbuchen. Der Erste war Pery Ribeiro. Und weil der 78jährige Alf auf Grund einer schweren Erkrankung die Reise von Rio nach Deutschland nicht antreten konnte, weil deshalb auch seine Gesangspartnerin Alaíde Costa in Rio blieb, durften sich die ZuhörerInnen im Audiforum nun davon überzeugen, dass das seit Mitte der 60er Jahre gefeierte Gesangs-Duo Leny Andrade und Pery Ribeiro den Bossa Nova immer noch so gut drauf hat wie damals, als Hits wie eben das genannte „Garota de Ipanema“, „Desafinado“, „Summer Samba“, „O Barquinho“ oder „Chora Tua Tristeza” den Planeten umkreisten. Die beiden Veteranen der brasilianischen Szene genießen in ihrem Heimatland nach wie vor Kultstatus, völlig zu Recht, wie sich anlässlich ihres ersten gemeinsamen Europatrips zeigt. Ribeiro, ganz routinierter Entertainer, singt mit temperamentvoller Stimme und sonorer Virilität von der „Felicida“ oder zelebriert nur von der Gitarre begleitet die wunderbare Ballade „Manha de Carnivale“. Leny Andrade mengt dem Südamerika-Pop wesentlich mehr Jazz bei als ihr Kollege. Mit unmittelbarer Emotionalität und charaktervoller Sangeskunst stellt sie unter Beweis, warum die New York Times sie unlängst als „Sarah Vaughan of Brazil“ ehrte. Dizzy Gillespies „Night in Tunesia“ jedenfalls swingt als samtene Melodie in gelassenem Tempo durchaus lustvoll durch die Nacht, und mit ihrem a capella Scatsolo braucht sich Andrade vor keiner Sängerin aus dem Norden zu verstecken. Es ist wenig verwunderlich, dass das dänisch-deutsche Duo Kim Barth, Saxophon / Flöte, und Paulo Morello, Gitarre, besonders erfreut über die Gelegenheit zur Zusammenarbeit war. Die ergab sich, als die beiden auf den Spuren von Stan Getz und Charlie Byrd wandelnd in Rio den Geheimnissen der dortigen Jazztradition an Ort und Stelle auf die Spur kommen wollten. Aus einem kurzen Trip zum Zuckerhut wurde alsbald ein längerer Aufenthalt – die beiden wohnten eine Zeit lang sogar in derselben Straße, in der seinerzeit Jobims Domizil lag -, der mit einer CD-Produktion beschlossen wurde. Nicht nur die alten Klassiker, auch eigene Kompositionen im Geist des Jazz Samba Booms der 60er mit seinen leicht schwebenden Rhythmen und nachtweichen Sounds bringen die beiden von der Copacabana mit, zelebrieren sie gemeinsam mit einer Rhythmusgruppe, die auch im Mutterland des Bossa Nova ihresgleichen sucht im feinabgestimmten Latin-Groove. So sorgen Cidinho Teixeira am Piano, Lucio Nascimento am E-Bass und Fernando Pereira am Schlagzeug für jenen authentisch federnden Klang, der wie von selbst die Herzen südwärts schlagen lässt.