Dave Douglas Quintet | 13.01.2023

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Schwer schleppt sich die Zeit … Wer vom Dave Douglas Quintett explosive Avantgarde a la Kinitting Factory erwartet hätte an diesem denkwürdigen Freitagabend im Neuburger Birdland, wurde überrascht mit elegischer Melodiosität, romantischen Verwehungen und langsam voran schreitender Gedankenschwere.

Die Spannung einer gut viertelstündigen Eingangssequenz zeigte sich eher darin, was nicht gespielt wurde als in halsbrecherischer Eruption. Freilich flogen immer wieder helle Funken, loderten Flammen in die Nacht, schon vor Rudy Roystons deftigem Schlagzeugsolo.

Auf dem Fuße folgend löste ein geradezu klassisch anmutendes Thema im Uptempo des Bebop das Rätsel des ursuppenden Beginns und das zunächst bewusst vage gehaltene Geschehen startete eine kreative Zwischenoffensive. Da ließ Nick Dunston am Bass die Erde beben, warf die phänomenale Marta Warelis am Bösendorfer mysteriöse Akkorde in die Luft, bliesen John Irabagon am Tenorsaxophon und der Meister selbst zur Attacke.

Dave Douglas erinnerte zuweilen an einen Jäger, wie er dastand und förmlich auf die Beute lauerte, die ihm der Fortgang der Stücke vor die Trompete trieb, die dann wie ein Signalhorn eine neue Phase einzuleiten wusste und die Musik flugs auf eine andere Ebene transportierte. Jon Irabagon verdichtete einzelne Töne mehr und mehr zu wahren Klangwolken, aus denen mal um mal die Blitze schlagen konnten.

Schier sensationell waren die Beiträge von Marta Warelis am Piano, die mit dem Rücken zum Publikum die Kobolde auf den Tasten tanzen ließ und mit Energie wie großer Lust am Skurrilen das Unterste zuoberst kehrte, dicht, komplex und völlig unberechenbar. Obgleich ausgetüftelte, ausgedehnte Kompositionen zugrunde lagen, folgte die Musik des Quintetts keinem Strickmuster, war in jedem Augenblick offen für überraschende Wendungen, frisch improvisierte Ideen und eine Prise Humor, zugleich ein Amalgam verschiedenster Stile in großartigem Spannungsbogen, dabei stets in ungemein geschlossenem Zusammenspiel.

Schwer schleppte sich die Zeit zunächst. Doch schnell ist sie vergangen …