Danilo Rea – Flavio Boltro | 04.05.2013

Neuburger Rundschau | Barbara Sagel
 

Wer braucht eigentlich Standards? Wer braucht Jazz-Kompositionen? Die italienische Oper gibt doch alles her, was der Jazzmusiker an Inspiration benötigt. Diesen Eindruck konnten zumindest jene Besucher des Birdlands gewinnen, die jetzt das große Vergnügen hatten, die italienischen Musiker Danilo Rea und Flavio Boltro zu hören. Oper und Jazz – wie passt das zusammen? Großes Orchester, Gesang und Drama reduziert auf die sparsame Besetzung Piano, Trompete?
Sollte irgendjemand vor dem Konzert im Jazzclub Zweifel an der möglichen Reduktion des Großen, des Pathetischen auf das Kleine, das Unaufgeregte, das kammermusikalische Format gehabt haben, so wurde dieser bereits nach wenigen Takten eines Besseren belehrt. Als versierte Jazzmusiker mit hörbar klassischem Hintergrund, sind Pianist Danilo Rea und Trompeter Flavio Boltro wohl prädestiniert dafür, Reizvolles aus beiden Genres miteinander zu vereinen.
In ihrem Programm „Opera“ mit Stücken von Monteverdi, Rossini, Bellini, Puccini bis hin zu Cilea und Giordani greifen sie die Originalmelodien in ihrer ganzen harmonischen und melodiösen Schönheit auf, präsentieren sie dem Publikum in nahezu klassischer Interpretation, um sie dann – spielerisch mit hörbarer Lust am Entdecken und Probieren – in Fragmente zu zerlegen, auf mögliche Variationen und Verfremdungen hin zu überprüfen. Dieser Vorgang lässt die Zuhörer zu Zeugen ungeahnter musikalischer Entwicklungen und großer Improvisationskunst werden. Strahlender Trompetenklang wird zu verhauchtem, weichem, schmeichelndem Jazzsound.
Klassische Melodien zerfallen zu Bruchstücken
Klassische Melodien – mit überragender Technik auf dem Flügel gespielt – zerfallen zu Bruchstücken in überraschender, neuer rhythmischer Anordnung, ergeben kaleidoskopartige Bilder der bekannten Vorlagen. Das, was in der Oper als großes Pathos oft schwülstig wirkt, wird hier zu bereinigter Emotion, die das Herz zwischen Boogie, Bop und Free-Jazz-Passagen wohl umso direkter erreicht.
„Die Emotion ist mir sehr wichtig. Ich mag es nicht, wenn nach einem Konzert die Leute sagen: Das war nett. Lieber ist mir, sie sagen: Ich habe geweint“, so wird Danilo Rea von seiner Plattenfirma zitiert. Ob während dieses Konzertes Tränen flossen, bleibt wohl ein Geheimnis. Fest steht aber: Es war kein bisschen nett, es war großartig. Großartige Musiker, großartige Musik. Ein Erlebnis!