Daniele di Bonaventura Band’Union | 22.10.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Das Bandoneon ist ein Instrument der Verführung. Erfährt man von einem Konzert, in dem es eine tragende Rolle spielt, geht man zuerst einmal ganz automatisch davon aus, dass es dabei um argentinischen Tango, Astor Piazolla oder Roberto Goyeneche gehen würde. Bei Daniele Di Bonaventura, dem Bandoneonvirtuosen schlechthin, und seiner Band’Union geht es um alles, nur darum nicht.

Di Bonaventura kommt aus den Marken, seine Begleiter, Marcello Peghin an der zehnsaitigen Gitarre, Felice Dela Gaudio am Kontrabass und Alfredo Laviano an der Perkussion aus Kampanien und Sardinien. Italienischer geht es kaum. Und so geht es auch in musikalischer Hinsicht um Italien, nicht um Argentinien, es geht um Di Bonaventura’s Sammlung von Widerstandsliedern aus der Zeit der Resistenza, um für liturgische Zwecke vorgesehene Kompositionen, um traditionelles italienisches Liedgut, hauptsächlich um eigene Stücke, weniger um Fremdvorlagen, um musikalische Kriterien, nicht um Tanz, Schrittfolgen und Figuren.

Das Bandoneon steht im Zentrum all dessen und wird von Di Bonaventura schließlich auch noch umgewidmet zu einem Instrument des Jazz. Ab dem Zeitpunkt Mitte des erstes Sets, als die Band sich dazu entschließt, auf der Basis einer Nummer aus Uruguay, die es dort sogar in die Pop-Charts geschafft hatte, sich selbst immer mehr Freiräume zuzugestehen, wird das immer deutlicher. Hier werden eben mal schnell zwei oder drei Stücke zu einem Block zusammengezogen, hier wird improvisiert, dass es die wahre Freude ist, hier lassen sich die Musiker auch selbst verführen und hinreißen zu immer neuen Kabinettstückchen, die sie mit einer Selbstverständlichkeit und einer Souveränität darbieten, die blindes Verständnis voraussetzt.

Für die beiden Stunden, die im Rahmen des noch bis zum 19. November laufenden Birdland Radio Jazz Festivals vor ausverkauftem Saal über die Bühne gehen, braucht es keine großen Gesten. Die Band besticht allein durch ihre Musik, die Eleganz ausstrahlt, durch die feinen Nuancen in der Abstimmung, durch ihre Luftdurchlässigkeit bei gleichzeitig enormer Dynamik. Das Bandoneon, die Gitarre, die ab und zu nach einer Harfe klingt, der in sich ruhende Bass, das rhythmische Gemurmel und die kleinen perkussiven Tupfer sind tatsächlich verführerisch. Man wippt mit, weil man an manchen Stellen einfach nicht anders kann, man gibt sich Träumereien hin, wenn Di Bonaventura die Melancholie des Südens ganz sacht in den Vordergrund schiebt. Das ist bei aller Leichtigkeit ungemein spannend.

Natürlich ist der Applaus am Ende dementsprechend. Alle sind sichtbar begeistert und vermutlich sogar diejenigen, die vornehmlich wegen des Tangos gekommen waren, stellen am Ende überrascht fest, dass sie ihn die ganze Zeit über gar nicht wirklich vermisst haben sondern statt dessen vielmehr in eine unerwartete Richtung gelockt wurden. Das Bandoneon als Instrument der Ent- und Verführung. Ja. Und es tat so unendlich gut, sich darauf einzulassen.