Cornelius Claudio Kreusch & Johannes Tonio Kreusch | 31.01.2003

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

 Niemand sollte glauben, alles ginge nur immer nach dem Kopf des Älteren. Der ist zwar ein ausgemachter, wenn auch genialer Dickschädel und will mit dem selben meist frontal durch die Wand. Aber das wagemutige Versprechen „Two World`s One“ stammt vor allem aus dem Munde des jüngeren Bruders, von Johannes Tonio Kreusch.

Im Neuburger „Birdland“-Jazzclub, dessen Publikum an diesem Abend wieder einmal atemlos staunend hinter den kurzen Horizont von Swing- und Bebop entführt wird, erfüllt es der 32-jährige Gitarrist auf völlig unkomplizierte, wundersame Weise. Zusammen mit Bruderherz Cornelius Claudio am Piano und dem New Yorker Perkussionisten Jamey Haddad setzt er in Töne um, was seit langem in der Kreuschschen Familienfantasie umherspukt: Eine Symbiose aus Ethno, Klassik, Jazz, Meditation und Adrenalin. Eine Reise durch verschiedene Erfahrungsebenen, durch musikalische Territorien, durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Die Welten nähern sich dabei keineswegs an: Sie öffnen sich nur einen winzigen Spalt. Am Bösendorfer sitzt diesmal ein völlig anderer Cornelius Claudio Kreusch, als noch vor gut zwölf Wochen bei den Ingolstädter Jazztagen, wo er mit seiner Trance-Rap-Pop-Combo fröhlich die Lager spaltete. Aber ist C. C. hier wirklich so viel anders als sonst? Im Grunde ist er immer der Selbe: quirlig, hibbelig, von ständiger kreativer Unruhe getrieben, mal mit brachialer Gewalt die 88 Elfenbeintasten bearbeitend um sie gleich danach wieder fast zärtlich zu liebkosen. Nur seine Umfelder wechseln, sein Spiel findet sich jedoch überall zurecht.

Erstaunlich höchstens die ungewohnte Zurücknahme, die sich der seit 1993 in New York lebende Münchner bei den meisten Stücken abverlangt. Aber wehe, wenn er losgelassen, etwa im Duo mit dem kongenialen Jamey Haddad, der schon für Paul Simons Weltmusikexkurse den stimmigen Rhythmus lieferte: Da reitet er auf allen Emotionen, einem Rodeo-Cowboy gleich, greift in den Flügel, dämpft Töne oder betrommelt dieses ekstatisch mit den Fingern. Kreusch trifft mit seinem fulminanten Spiel Seele und Körper gleichermaßen. Er trägt den Ur-Groove in sich, den nur Menschen besitzen, die in einer anderen, weniger normierten Welt leben, die Musik nicht als Gebrauchsgut sehen, sondern ihren Wert als akustisches Anti-Depressivum, als Schutzschild oder Katapult in ungeahnte Höhen längst zu schätzen wissen.

Dies begreift auch Johannes Tonio Kreusch, ein begnadeter Saitenzupfer in der Tradition von Heitor Villa-Lobos, in zunehmendem Maße. Für jedes Thema nutzt er ein anders gestimmtes Instrument und erzeugt damit Sounds, die vor ihm noch kein Gitarrist zustande brachte. Auf klassischer Basis gewinnt sein Vortrag improvisatorische Flügel und grandiose erzählende Strukturen, welche die alten Werte an den sechs Saiten als längst überkommen entlarven.

Die von den dreien initiierte Verschmelzung ist ein innerer Prozess des Hörens, ein sich ständig wiederholender und doch langsam steigernder Vorgang. Bilder vom Regenwald, von der Großstadt, von Menschen, Tieren, von lachenden, schweißnassen, von weißen und schwarzen Gesichtern prägen sich unauslöschlich im Unterbewusstsein ein. Ein versunkenes Drehen, ein ruhiges, stetiges Atmen. Die Welten vereinen sich, ohne ihre Identität zu verlieren. Wem solche kleinen Wunder gelingen, der ist Staatsmännern heute gar um Lichtjahre voraus.