Coloured Mind | 07.12.1996

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

An der Ausgewogenheit seines Programms sollst du einen niveauvollen Konzertveranstalter erkennen. Denn daß es auf die kleinen Schlaglichter ebenso ankommt, wie auf die ganz großen Highlights, weiß zumindest der „Birdland“ Jazzclub Neuburg längst. Er bietet seine inzwischen in ganz Europa bekannte Bühne hin und wieder auch den Eigengewächsen der Region an, nicht unbedingt, um ihre beachtlichen Fähigkeiten in einen Kontext zu den Stars zu stellen, sondern um ganz bewußt die Aufmerksamkeit des Publikums auch auf die bunte Vielfalt der näheren Umgebung zu lenken.

„Jazz aus der Region“ heißt die Konzertreihe, die jetzt erstmals den Ingolstädter Gitarristen und Jazzpreisträger Rudi Trögl mit seiner Formation „Coloured Mind“ in die Katakomben der Hofapotheke führte. Ungewohntes Instrumentarium und eine für den etatmäßigen Mainstream-Keller ungewohnte Lautstärke; daß Trögl trotz der mitgereisten Fans aus der Schanz hier nicht unbedingt ein Heimspiel erwarten konnte, schien von vorne herein klar. Doch die Unbekümmertheit des Musiklehrers geriet ihm in dieser schwierigen Situation einmal mehr zum Vorteil. Der virile Saitenvirtuose setzte nämlich geschickt seine Trümpfe ein und drehte in der vermeintlich „feindlichen“ Umgebung mit viel Feingefühl den Spieß um, indem er beispielsweise nach der Pause drei Uralt-Standarts („Days of Wine and Roses“, „Wave“ und „Satin Doll“) im Unplugged-Gewand, also mit akustischer Gitarre, servierte.

Doch Rudi Trögl wäre nicht er selbst, würde er einen ganzen Gig nur mit Zugeständnissen bestreiten. Auch in Neuburg bestachen er und seine Mitstreiter (der wegen seiner dynamischen Schichtungen an John Betsch erinnernde Drummer Helmut Welser sowie der mit weit ausladenden Drops im chargierenden Sound agierende E-Bassist Rainer Hasenkopf) im „elektrischen“ Teil durch intelligente, klug strukturierte Eigenkompostionen voller Spannung und gegenseitigem Einverständnis. Der in der Stilistik von Mike Stern beeinflußte Gitarrist dominiert mit klaren, unverzerrten Single-note-Läufen, wechselt urplötzlich zu raffinierten Akkordverbindungen und begeistert dann mit abenteurlichen Akzentverlagerungen und behenden Rhythmuswechseln.

In der Balladeninterpretation freilich liegt Trögls zweite Stärke. Seine leuchtend sanften, fließenden Linien besitzen große Klasse und verscheuchen gar einen matt durchschimmernden Easy Listening-Touch, bevor er Schaden anrichten kann. Obwohl es im „Birdland“-Keller leider noch viele freie Plätze gab, erklatschte sich das Publikum zwei Zugaben („Dirty Harry“ und ein bissiges „Summertime“), die „Coloured Mind“ gar noch zur Demonstration ihrer erstaunlichen improvisatorischen Kraft nutzten.