Clovis Nicolas Quartet | 01.02.2020

Donaukurier | Karl Leitner
 

In Zeiten, in denen engstirnige und vernagelte Zeitgenossen von Abschottung und Isolation faseln, setzen Jazzmusiker ein Zeichen durch die Sprache der Musik, die weltweit jeder versteht. Dieses Konzert im Neuburger Birdland Jazzclub legt beredt Zeugnis davon ab. Der Kontrabassist Clovis Nicolas aus Paris hat den Altsaxofonisten Dmitry Beavsky aus Sankt Petersburg, den Trompeter Steve Fishwick aus London und den Drummer Greg Hutchinson aus Brooklyn geholt, um mit ihnen ein ganz spezielles Kapitel des zeitgenössischen Jazz aufzuschlagen. Nicht möglichst vieler Nationalitäten wegen, sondern weil es zwischen den Vieren menschlich und musikalisch ganz einfach passt.

Und zwar optimal. Im ersten Teil des Abends führt das Quartet Sonny Rollins‘ „Freedom Suite“ auf, füllt die Vorlage mit praller Lebendigkeit, was ein ziemlich risikobehaftetes Unterfangen ist, weil es immer zu bedenken gilt, wie viel Eigenimprovisation an welcher Stelle und in welcher Spielart das aus drei Teilen und zwei „Interludes“ bestehende Werk verträgt. Das Ergebnis ist eine Offenbarung. Nicht die einzige, wie sich im weiteren Verlauf dieses einzigartigen Abends zeigen wird.

Nach einer ungemein sensibel gestalteten Version von Herbie Hancock’s „Momosa“ kommt „Fine And Dandy“, bei dem Weltklassedrummer Greg Hutchionson mit breitem Grinsen seine Kollegen in einem Wahnsinnstempo vor sich her treibt. „Schneller geht’s nicht“, sagt Nicolas nach vollbrachter Großtat und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Das ist nun keineswegs der Auftakt zu einer Hochleistungsshow, nein, nur ein weiterer Beweis dafür, dass die Band bereit ist, an diesem Abend alles auf eine Karte zu setzen.

Mit den Worten „Die nächste Nummer ist die verrückteste, die wir kennen,“ kündigt Nicolas schließlich „Esoteric“ aus der Feder der Posaunisten Grachan Moncur III an, was zur Folge hat, dass das Publikum mit Taktwechseln nur so überschüttet wird. Man kommt sich vor wie eine Kugel im Flipperautomaten und fragt sich nur noch, wann es die Vier auf der Bühne aus der Kurve trägt. Selbstverständlich tritt dieser Fall nicht ein, statt dessen bricht nachher vielmehr ein wahrer Begeisterungssturm los. Und zum Ende des denkwürdigen Konzerts sind nicht mal so bekannte Standards wie Jimmy McHugh’s „On The Sunny Side Of The Street“ und Harry Ruby’s „Three Little Words“ vor dem Wagemut der Band sicher.

In der Tat haben sich im Clovis Nicolas Quartet vier Musiker getroffen, die mit Experimentierlust, Esprit und selbstredend auf höchstem technischen Niveau an diesem Abend etwas ganz Besonderes bieten, dabei einerseits mit immenser Abenteuerlust ständig mit der Avantgarde flirten, aber andererseits dennoch die Zuhörer ohne Jazzabitur nie aus dem Blick verlieren. Das ist zweifelsohne ein Spagat, aber er gelingt perfekt. Was für eine Band, was für ein Abend!