Claus Raible Trio, feat. Ed Thipgen | 29.10.2004

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Zwei schlagzeugende Extreme: Ein Stoiker und ein Zappelphilipp. Reduziertes Drumming gegen wilde Schießbudenakrobatik. Oscar Petersons eleganter Swing trifft Miles Davis` renitenten Jazzrock.

Und dennoch passt es, dass der Neuburger „Birdland“-Jazzclub Ed Thigpen und Al Foster mit ihren aktuellen Formationen zum „Oktober Special“ in den Hofapothekenkeller eingeladen hat. Beide schrieben viele Kapitel Jazzgeschichte, gelten als Vorbilder für ganze Schlagzeuger-Generationen und besitzen weit mehr Gemeinsamkeiten, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Wie etwa die Tugend, unbekannte Talente unter ihre Fittiche zu nehmen.

Mit Ed Thigpen kam diesmal der wunderbare Pianist Claus Raible nach Neuburg. Ein eigenständiger Querkopf, der die Tradition hegt, sie aber niemals gedankenlos kopiert. In Raibles markantes Musikerprofil passt die würdevolle Restauration von „Unsung Heroes“ wie Elmo Hope, Don Byas, Sony Stitt oder Tadd Dammeron. Oder das Thema der „Meuterei auf der Bounty“. Was, bitteschön, hat so etwas mit Jazz zu tun? Streng genommen nichts, außer dass Bronislaw Kaper, der Komponist der Filmmusik, auch diesem Genre viele unsterbliche Melodien schenkte.

„Als ich das vor kurzem sah, habe ich einen romantischen Anfall bekommen und das Stück vom Fernseher weg aufgeschrieben“, leitet Raible launig eine melancholische Ballade über die Liebe zwischen dem Rebell Fletcher Christian und einer Inselschönheit ein. Es sind diese Raritäten, die unerhörten, selten oder gar nie gespielten Preziosen, die unter seinen Händen so edel klingen, als stünden sie im täglichen Gebrauch jeder Jazzcombo. Dazu kommt Raibles immenser manueller Vorteil: zwei nahezu gleichstarke Hände. Die Linke greift häufig über oder übernimmt im Bassbereich die Melodieführung. Seine mentalen Pfunde liegen dagegen in einer überreichen Fantasie und einer Keckheit, die Dinge schlicht anders anzupacken. Und er wuchert reichlich damit.

Dass der Pianist, der delikate Bassist Martin Zenker und Altmeister Thigpen einen ganz neuen Zugang zu der oft zu Recht als antiquiert bezeichneten puristischen Lehre des Bebop finden, liegt am inneren Einverständnis aller: Give and take. Kein Konflikte. Im Gegenteil: Er könne von diesem jungen Deutschen jeden Abend etwas lernen, kokettiert „Mr. Taste“, wie sie den Superdrummer nennen, in der Pause.

Dabei ist es aber vor allem Ed Thigpen, der Raibles Spiel mit seiner sensationellen Besenarbeit, seinem fantastischen Minimal-Groove auf der Snare erst auf dieses Niveau katapultiert. Monks „Well you needn`t“ übersetzt Raible gestelzt in „Wohlan, du musst nicht“. So klingt es dann auch: aufgekratzt, spritzig, humorvoll, voller Power. Gerade wegen dieses jugendlichen, 74-jährigen Drummers.