Claus Raible Trio, feat. Ed Thipgen | 04.10.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Seine Welt sind die Standards des klassischen Bebop, seine Vorbilder Tadd Dameron, Theolonious Monk, Bud Powell, die Klavierheroen am Beginn der Moderne des Jazzzeitalters. Claus Raible hat sie sich einverleibt, sich mit Haut und Haaren ihnen hingegeben, bis er ihre Sprache aus dem Effeff beherrschte und ins heute zu transportieren verstand. Und nun die Gelegenheit mit einem aus der Zeit zu spielen, als die Legenden noch jung waren!

Fast vierzig Jahre liegen zwischen den Geburtsdaten von Claus Raible und Ed Thigpen. Aber der Unterschied an Jahren sagt nichts über die Vitalität von Musikern, zumal im Jazz, der ja als ausgemachte „oral culture“ von der Überlieferung von Mund zu Ohr, von Mensch zu Mensch lebt. Berührungsängste zwischen den Generationen gab und gibt es nicht, Lernen und Lehren gehen ineinander über im gemeinsamen Musizieren. Der 1930 geborene Thigpen, der als junger Mann u.a. für Cootie Williams, Bud Powell oder Dexter Gordon arbeitete, der bei Lennie Tristano in die Cool-School ging und in den 60ern gemeinsam mit Ray Brown über Jahre hinweg dem Sound des Oscar Peterson Trios seine Persönlichkeit beigab, danach mit Ella Fitzgerald tourte und im Laufe seines Lebens über 700 Schallplatten- und CD-Aufnahmen mit seinem Drumming veredelte, darunter „Mr. Taste“ von 1991, kehrt in keinem Moment den Lehrmeister hervor. Im Gegenteil: Dezent, sublim, elegant, mit kleinen feinen Tipps an die Kollegen, wie es weitergehen könnte, nie laut, immer diskret, unaufdringlich und um so wirkungsvoller bringt er die Persönlichkeit des Erfahreneren ein ins konzentrierte Miteinander. Auch im Solofeature „Heritage“ erliegt er nicht der Versuchung zum Zirzensischen, lässt gentlemanlikes Understatement walten. Bassist Martin Zenker gibt Groove, Harmonie, Struktur und glänzt con arco wie pizzicato mit einfallsreichen Soli. Raible schließlich lässt die Zeit vergessen, swingt in Monks Klassikern „Hackensack“ und „Four In One“ wie in seinen eigenen Stücken was das Zeug hält mit subtiler Finesse und wie selbstverständlicher pianistischer Eigenständigkeit in einem Idiom, das Bestand hat in aktueller Gültigkeit. Ein Hoch auf den Dialog der Generationen!