Wer lupenreinen Bebop hören will, mag sich getrost Claus Raible anvertrauen. Seit über 25 Jahren – das erste Birdland-Konzert bestritt er am 27.2.98 an – versorgt er das Publikum im Keller unter der Hofapotheke in regelmäßiger Folge mit seiner stilreinen Klavierkunst, auch dieses Mal. Raible verkörpert mit jeder Faser seines Musikerdaseins den temporeichen, vitalen Stil, der an der Nahtstelle zwischen Tradition und Moderne steht.
Was in der klassischen Musik historisch informierte Aufführungspraxis bedeutet, überträgt der Münchener Pianist ohne jeden Traditionalismus at it‘s best in die Welt des Jazz: Authentizität, Konsequenz, Klarheit! Das beginnt mit Tadd Damerons »Our Deligth« und spannt den Bogen bis zum solo zugegebenen Monk-Klassiker »Round Midnight«. Dazwischen liegt eine erfrischende Mischung aus Bebop-Standards und Raible-Originalen, »What Love Exotique« z.B. »Not Yet« oder »Close Haunted«.
So scheinbar lässig wie er entspannt angelehnt auf einem Stuhl vor dem Klavier sitzt, so ernst nimmt Claus Raible seine Musik, seine Mission, ein akribisch arbeitender Musiker mit profundem Wissen und stupender Technik, der die Standards des Jazz aus dem Effeff beherrscht: »A Night in Tunesia« etwa, »Thou Swell« oder – »den Damen zuliebe« – »Besame Mucho«, das alles »Con Alma«, mit Seele!
Bei aller Vergänglichkeit der Zeiten und der Flüchtigkeit der Vorstellungen – nicht von ungefähr nennt Raible seine aktuelle CD »Fugitive Figures« – bleibt er seinem Genre konsequent treu, überträgt die Musik der Heroen in eine lebendig pulsierende Gegenwart. »Tempus Fugue-it«: Mal entlockt er auf Bud Powells Spuren dem Bösendorfer orchestrale Fülle, mal stürzt er sich auf die Tasten wie ein Raubvogel auf die Beute, immer konsequent, immer auf dem Punkt. Wieselflink und quirlig tanzen die Finger über die Tastatur, werfen förmliche Girlanden ins Publikum, klar akzentuiert, rhythmusbetont, mit blitzsauberem Anschlag und nuancierter Farbgebung, Bestimmtheit und Emotion.
Seine beiden Kombattanten, mit denen er sich »ohne Setlist, ohne Noten, ohne Zettel, ohne alles« blind versteht, tragen das Ihre bei, Giorgios Antoniou am Bass federnden Groove und harmonische Stabilität, Xaver Hellmeier am Schlagzeug hurtig swingenden Punch und starken Drive.
Schließlich kommt auch die Herkunft des Jazz aus den spirituellen Wurzeln von Blues und Gospel nicht zu kurz. »Rai Blue« jedenfalls kann man an der Akademie nicht lernen, da muss Musik einfach gelebt werden, hier und heute, jetzt!