Claus Raible Trio | 31.10.2020

Donaukurier | Karl Leitner
 

Er sei es ja mittlerweile gewohnt, jeweils am Vorabend des staatlich verordneten Kulturverbots schnell noch ein Konzert zu geben, sagt der Pianist Claus Raible. Im März habe er in Wien quasi in den Lockdown hineingespielt, jetzt täte er das eben in Neuburg. Und dann bearbeitet er anlässlich des 10. Birdland Radio Jazz Festivals die Tasten des Bösendorfer-Flügels mit dieser für ihn so typischen lässigen Eleganz, die den waren Könner auszeichnet.

Raible war schon öfter im Club unter der ehemaligen Hofapotheke zu Gast. Diesmal hat er sein Trio mitgebracht, Giorgios Antoniou am Kontrabass und den Schlagzeuger Xaver Hellmeier, dazu etliche Standards der Jazzliteratur von Tadd Dameron, Dizzy Gillespie und Horace Silver, aber auch eigene Stücke aus seinem aktuellen Album „Trio!“, das er eigentlich mit einer kleinen Tournee vorstellen wollte. Nun, dieses Vorhaben kann er nach gerade mal zwei Terminen erst mal zu den Akten legen.

Raible läuft dennoch an diesem Abend zu beeindruckender Form auf. Sein Spiel ist überaus körperbetont. Manchmal windet er sich förmlich auf seinem Klavierhocker, legt sich quer, lehnt sich weit zurück. Ab und zu sieht es aus, als stoße er mit der rechten Hand wie ein Adler im Landeanflug auf die Eins herab auf die schwarzen und weißen Tasten, als wische er das gerade eben Gespielte mal eben so vom Tisch und ließe es rechts über den Rand purzeln, als wolle er mit rasenden Läufen das Instrument herausfordern und bezwingen.

Obwohl der Schlagzeuger seine Stöcke – wohl gemerkt, nicht die Besen – recht kräftig schwingt und seine Kollegen doch phasenweise akustisch etwas zu sehr dominiert, ist es eine Freude zu sehen und zu hören, wie Raible seine Pirouetten dreht, einen halsbrecherischen Lauf nach dem anderen aus dem Ärmel schüttelt, in der Tastatur förmlich herumrührt. Durch diese Spielweise werden nicht nur Gillespie’s Klassiker „A Night In Tunisia“ und das extrem beschleunigte „Just One Of Those Things“ von Cole Porter zu echten Leckerbissen, sondern auch jede seiner Eigenkompositionen, angefangen beim extrovertierten „Exzenter“ bis hin zu den Balladen „The Pinguin“ und „Night Time Is My Mistress“.

Ja, dieses Trio ist wirklich gut an diesem vermutlich für längere Zeit letzten Konzertabend im Birdland. Gerade wenn man sich dann aber – die Klasse Raibles und vieler seiner Kollegen im Hinterkopf – vergegenwärtigt, dass die nunmehr den Künstlern, den Veranstaltern und nicht zuletzt dem Publikum aufgezwungene Konzertpause genau diejenigen am härtesten trifft, die am wenigsten mit der Verbreitung des Coronavirus zu tun haben, tut das ganz besonders weh. Und dass der Besuch eines Konzerts anscheinend in der offiziellen Lesart den gleichen Stellenwert innehat wie der einer Spielhalle oder eines Bordells, löst nur noch Kopfschütteln aus, auch und gerade bei denen, die bislang überaus solidarisch jede Maßnahme zur Bekämpfung der Pandemie unterstützt haben.