Clark Terry Quintet | 20.05.2000

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Direkt aus New York war er tags zuvor gekommen, um im „Birdland“ seines alten Freundes Manfred Rehm aufzunehmen. Ausgerechnet hier nämlich, und nicht etwa im „Village Vanguard“ oder einem anderen Kult-Schuppen des Big Apple wollte Clark Terry mit seiner langjährigen Workingband den überfälligen Live-Mitschnitt erledigen. Gibt es einen schlagkräftigeren Beweis für den Stellenwert des kleinen Jazzclubs an der Donau in der Welt des Jazz?

Der Mann, einer der größten Jazztrompeter aller Zeiten, kommt gerne hierher. Schließlich kennt er die Verhältnisse im Hofapothekenkeller wie seine Hosentasche. Dreimal war Terry hier, fühlte sich stets pudelwohl und traf nicht zuletzt deshalb diese unpopuläre Entscheidung. Gerade weil der in St. Louis geborene Tausendsassa im Dezember stramme 80 Jahre alt wird, gibt er sich freier, unabhängiger und vitaler denn je. Im Gegensatz zu anderen Senioren, die sich nur noch als billige Kopie ihrer goldenen Tage präsentieren können, scheint sich die Zeit an ihm ihre Zähne auszubeißen. Die obligate, launige Begrüßung („My name is Herb Alpert, believe it or not!“), das pfiffig zuckende Walrossbärtchen, die mit den Ventilen nach unter gespielte Trompete, die kurzweiligen Episoden – Clark Terrys ureigene Rezeptur aus feinem, niemals banalem Entertainment und hohem künstlerischen Anspruch besitzt kein Verfallsdatum.

Und dennoch ist an diesem Abend etwas anders, als bisher. Das Quartett um den gnadenlos guten Altsaxofonisten Dave Glasser, die lyrische Pianoinstanz Don Friedman, die fein nuancierende Schlagzeugerin Sylvia Cuenca und den geschmeidigen Bassisten Marcus McLaurine agiert druckvoll, wie aus einem Guss. Es unterstützt seinen Boss, diese liebenswert-nahbare Swing-Ikone dabei, eine stabile Brücke zu den Leuten im Auditorium zu bauen. Denn ohne sie würde Terry niemals dieser lockere, alle Sorgen wegkickende Swing, dieser einzigartige Sound gelingen, den sogar Miles Davis einmal als seinen Haupteinfluss bezeichnete.

Die Qualitätsinstanz intoniert Balladen („The Nearness Of You“) mit einem zarten Schmelz, den vor ihm noch keiner durch den Schalltrichter eines Flügelhorns gleiten ließ. Er führt Swing-Klassiker wie Basies „Jumpin` At The Woodside“ leichtfüßig über die heikle Schwelle des Bebop, versprüht prickelnde Sambafunken („Takin` A Chance On Love“) und versucht sich sogar an einem rattenscharfen Rap-Funk („Your Mama“), wobei das Ding noch weitaus authentischer klingt, als die synthetischen Dancefloor-Einheitshits mancher junger schwarzer Überflieger.

Im Laufe des Abends öffnet er sein gesamtes Song-Bündel – entschieden zuviel für eine CD, entschieden zu wenig für das begeisterte „Birdland“, das am Schluß stehende Ovationen spendet. Nicht zuletzt wegen Clark Terrys improvisiertem Blues, bei dem er die Fans als Chor benützt und sie ein kurz zuvor aufgeschnapptes Gaststättenkommando nachsingen lässt: „Herr Ober!“ Das Finale schenkt der Gentleman einem Stammgast in der ersten Reihe. Jede Wette, dass diese herrlich spontane Reminiszenz an Neuburg auch auf Platte auftaucht!