Christian McBride Trio „Out Here“ | 29.05.2015

Augsburger Allgemeine | Reinhard Köchl
 

Der Mann kann und macht einfach alles: Funk, Avantgarde, Pop, Klassik. Mit stets derselben Verve für unterschiedliche Typen wie die Pop-Superstars Sting oder James Brown, die Jazz-Titanen Sonny Rollins, Chick Corea, Herbie Hancock und Pat Metheny, die Avantgardisten John Zorn und Henry Grimes oder die Klassiker Kathleen Battle und Edgar Meyer. Ein Bassist eben. Käuflich, professionell, dienend, austauschbar – die Rolle eines klassischen Begleitinstrumentes. Aber passt sie auch auf Christian McBride?

Auf der Bühne des bis auf den letzten Quadratzentimeter besetzten „Birdland“-Jazzclub in Neuburg steht ein Klaviertrio, wie es konservativer kaum sein könnte und das nicht den Namen des Pianisten, sondern seinen trägt. Schon mal ungewöhnlich. Kommunikative Musik, stinknormaler Swing, der gerade in einer Besetzungsform wie dieser Gefahr läuft, als Sandkorn am riesigen Jazz-Sand zu verschwinden. McBride will das so. Ausgerechnet er, der in den 1990er Jahren gegen die Regularien einer in sich erstarrenden Scheinwelt aufbegehrte und dabei sich und seinen Bass aus dem Off ins Rampenlicht schob, zieht heute entspannt, gelassen und bestens gelaunt seine Kreise. Längst zählt er selbst zu den Trendsettern. Eine lebende Legende per se trotz seiner erst 43 Jahre, ein Leuchtturm, an dem sich andere ausrichten, ein Mentor, der jungen Talenten den Weg ebnet.

Einem begnadet virtuosen Hoffnungsträger an den Tasten wie dem 26-jährigen Christian Sands zum Beispiel, der dem Konservatismus Petersonscher Prägung mit seiner jugendlichen Frechheit einen völlig neuen Anstrich verleiht. Oder dem Drummer Ulysses Owens junior, der auf seine ganz spezielle Art, aus dem Nichts einen ansteckenden Groove auf die Hi-Hat zu zaubern, derzeit absolut konkurrenzlos ist und eine fast kindliche Freude am Trommeln vermittelt. Die drei nehmen sich Ladenhüter wie „Down By The Riverside“, „Caravan“ und „Day by Day“ vor; auf den ersten Eindruck ebenso bieder wie der große Rest, auf den zweiten jedoch raffiniert verschachtelt, tricky, dissonant. Als würden sie die Mähne der alten Schlachtrösser mit Gel und Farbe flott nach oben stylen.

Und Christian McBride, diese geerdete Frohnatur, spielt wie er spricht: variabel, elegant, kurzweilig und tief. Der ehemals brüllende Young Lion schnurrt längst behaglich zwischen Viertelnoten, gönnt sich irrlichternde, rasende Soli voller Esprit, genießt improvisierte Momente, in denen sich die Musiker filigran wie Messi, Ronaldo und Neymar die Bälle zupassen oder lässt im delikaten Arco-Spiel einfach nur hauchzarte Balladen ohne Schnörkel durch den Keller schweben. Ein eigenwillig schöner, optimistischer Abend, der einem wie ein Kontrapunkt zum verkopften zeitgenössischen Jazz vorkommen muss und vom Publikum mit Begeisterungsstürmen goutiert wird. Ist das persönliche Mantra des Christian McBride, die bewusste Reduzierung eines Hans-Dampf-in-allen Gassen auf das Wesentliche, aber auch eine Standortbestimmung des Jazz im Jahr 2015? Warum nicht!