Nachdrücklich festigen konnte Chris Potter seinen Ruf als einer der wichtigsten Saxophonisten der jüngeren Generation. Der knapp 32jährige präsentierte sich in einem Quartett mit ausgesuchten Kombattanten der New Yorker Mainstream-Szene und löste im ausverkauften Keller unter der Hofapotheke ein wahres Potter-Fieber aus.
Der Einstieg in den Abend findet sich mit „Washed Ashore“, einer rhythmisch betonten Midtempo-Nummer. Was da an den Strand gespült wird in dynamischer Bewegung, die sich dehnt und wiegt, entpuppt sich als ein Treibgut besonderer Art, das den Absprung bietet für einen gut halbstündigen Ritt auf großer Welle. Die Vier spielen ein bisschen mit dem Stück, werfen es hin und her in Faszination und Neugierde, balancieren damit auf der Brandung, die mal sanft am Strand ausrollt, mal wieder in kabbeliger See sich erhebt zu schäumender Gischt eines „Snake Oil“. Wer den Vergleich mit Coltrane zieht, der wird zu mindestens gleichen Teilen den Saxophone Colossus Sonny Rollins bemühen müssen um Chris Potter auf die Spur zu kommen, der in Ton, Phrasierung, Linienführung, Engagement und Kompromisslosigkeit das Beste seiner Vorbilder vereint und weit über solches Amalgam hinaus Persönlichkeit entwickelt. Gekonnt konstruierte Spannungsbögen von Groove und Melodie, der volltönende und weiträumige Ton, der Tempi und Stimmungen variiert, der Spielfluss, in dem auch unvermutete Intervalle souverän beherrscht ein internes Call and Response suggerieren können, Energie und Emotion zeichnen Potter aus und setzen ihn ins Licht als eines der größten Talente, die der Jazz derzeit hat. Der Meister aller Skalen zeigt im Kontext eines Quartetts von gleichermaßen begabten Individualisten, dass die Zeit der Wachablösung naht, dass hier eine junge Generation bereit steht Trends zu setzen und Verantwortung zu übernehmen. Kevin Hays, der zugunsten des clubeigenen Bösendorfers auf sein Fender Rhodes verzichtet, entlockt dem Flügel „What You Wish“, lyrische, energetische, bewegliche, chromatische, minimalistische und jubilierende Momente. Einen Bassisten, der sich wie Scott Coley auf einen ungeschützten fingerfertigen Dialog mit dem Tenorhorn einzulassen wagt, wird man lange suchen müssen. Bill Stewart schließlich gibt strategisch und wohl überlegt seine rhythmischen Akzente zu den „Vicious Circles“, untermauert in unvergleichlicher Weise die Emanzipation des Drummers vom Begleiter zur gleichberechtigten Stimme im Quartett. Keine Zauberei, keine Trickkiste, sondern große Kunst war geboten im Gewölbe des Birdland.