„Bist du auch wirklich sicher, dass du dir das nochmal antun willst?“, hatte ihn seine Gattin nach einem Herzinfarkt vor zwei Jahren gefragt. In der Tat, nach 64 Jahren als professioneller Schlagzeuger hatte Charly Antolini eigentlich Stöcke und Besen bereits für immer aus der Hand gelegt. Aber einer wie er, der sich ein Leben lang auf einem permanenten Kreuzzug für seinen geliebten Swing befand, kann’s einfach nicht lassen. Zum Glück!
Nun ist er wieder mal im Birdland zu Gast, „dem schönsten Jazz-Club Deutschlands“, wie er sagt. Diesmal mit seiner „Jazz Family 23“. Es ist ein Heimspiel, der Laden ist proppenvoll, die Stimmung bestens, und Antolini wird dafür sorgen, dass das auch so bleibt, bis es nach zwei Zugaben bereits auf Mitternacht zugeht. Er muss sich und seinen Fans im Saal nichts mehr beweisen, höchstens die Tatsache, dass ihm sein Beruf nach wie vor jede Menge Spaß macht und es sein erklärtes Ziel ist, das Publikum einfach nur zu unterhalten. Seine Begleiter, Rocky Knauer am Kontrabass, der vielseitige Florian Riedl am Altsaxofon und der hervorragende Pianist Martin Bublath mit seinem flüssigen Spiel, unterstützen ihn dabei, aber bei den ersten Nummern merkt man irgendwie schon noch, dass ihr Chef, Organisator, Pulsgeber und Spaßmacher in Personalunion im Mai 86 Jahre alt wird. Der Beginn ist – für seine Verhältnisse – noch zurückhaltend, aber anstatt während der dann folgenden knapp drei Stunden Ermüdungserscheinungen zu zeigen oder sich Auszeiten zu gönnen – was ja verständlich wäre – wird sein Spiel im Verlauf des Abends im Gegenteil immer geschmeidiger, druck- und kraftvoller, mitreißender. Als dann nach einem Vorlauf von vier Stücken auch noch Max „Scat“ Neissendorfer als Sänger und Scatter das Lineup komplettiert, ist die Band endgültig auf Betriebstemperatur und Antolini in seinem Element, reißt Witze mit dem Publikum, erzählt ein paar Anekdoten und demonstriert, wie man die körperliche Anstrengung des Drummings auch noch in diesem Alter fast mühelos bewältigen kann, wenn man über eine so blendende Technik verfügt wie er.
Antolini ist einer der wenigen Europäer, die in den berühmten Bands von Lionel Hampton und Benny Goodman gespielt haben. In der Tradition so namhafter Power-Drummer des Swing wie Louis Bellson, Buddy Rich und Gene Krupa stehend, ist jene Spielart des Jazz sein Lebenselexier, die Musik, an der – Infarkt hin oder her – sein Herz hängt, die er mit Herzblut füllt, die er liebt, die für ihn die Welt ist, in der er sich wohl und aufgehoben fühlt. Nicht umsonst nennt er seine Band „Jazz Family“. Und er ist ein Überzeugungstäter, der andere für seine große Leidenschaft begeistern kann. Die Standing Ovations nach der zweiten Zugabe kommen nicht von ungefähr.
Nachdem er Band und Zuschauer durch „The Groove Merchant“ von Thad Jones & Mel Lewis, Matt Dennis‘ „Angel Eyes“, Duke Ellington’s „Caravan“ und Martin Bublath’s „M 100“ geführt hat, bildet seine Eigenkomposition „Let’s Swing“ den Schlusspunkt hinter diesem entspannten Abend und trägt dessen Resumée auch gleich mit im Titel. „Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder,“ sagt Antolini am Ende, und fügt augenzwinkernd hinzu: „Sofern ich durchhalte.“ – Nach diesem Abend bestehen da gar keine Zweifel. Bis demnächst also!