Mit einem Konzert der Reihe Art Baroque eröffnete das Charlie Mariano Quintet im Birdland Jazzclub die diesjährigen Neuburger Barockkonzerte. Der Brückenschlag vom 18. ins 21. Jahrhundert gelang dem Saxophon-Altmeister und seiner handverlesenen Band dabei vollkommen mühelos.
Was haben Barockmusik und Jazz gemeinsam? Die Frage drängt sich um so ernsthafter auf, als der kritische Zeitgenosse den geringen Tiefgang etlicher sogenannter Crossover-Projekte nur mit leiser Resignation zur Kenntnis nehmen kann. Gelungenes zu finden gleicht der Suche nach der sprichwörtlichen Stecknadel. Jedoch: Wer sich ernsthaft – und jenseits wohlfeil verswingter Bach-Standards – auf beide Welten einlässt, wird unversehens fündig. Das Charlie Mariano Quintet haucht nicht nur Werken Johann Sebastian Bachs jede Menge aktuelles Leben ein, sondern zeigt auch in den eigenen Kompositionen enge Verbindungen zur Welt der Barockmusik. Da schlingen sich in „Good to See You“ die polyphonen Linien der beiden Saxophone von Charlie Mariano und Roger Janotta ebenso ineinander wie in „Gretchens Stube“ aus dem Faustzyklus Janottas oder in der „Bremsflüssigkeit“ Jost H. Heckers. Beide Saxophonisten sind Meister ihres Fachs, Grenzgänger zwischen den großen Traditionsströmen, beide von nichts und niemand einverleibt in charakterstarker Individualität. Vor Allem Charlie Mariano bietet knapp sieben Wochen vor seinem 80. Geburtstag seelenvoll in sich ruhende Improvisationen von eindringlicher Wärme und inniger Gestaltungskraft. In einer Kühnheit, deren sich kein Komponist des 18. Jahrhunderts hätte schämen müssen, öffnet Thorsten Klentzes Gitarre harmonische Räume von formvollendeter Anmut, sicher gehalten durch die rhythmische Stabilität der variablen Perkussion von Marika Falk. Nicht zuletzt Jost H. Heckers Cello verbindet Bach und Barock, Solosonate und Bounce, Praeludium und Groove in einer homogenen Begegnung zweier musikalischer Welten, deren Seelenverwandtschaft nach solchem Konzert niemand leugnen mag.